Mittwoch, 11. Januar 2012

Wachstum - wie hoch hinaus soll´s denn gehen?

Ich weiß nicht, wie es anderen Menschen geht, aber irgendwie kann ich das Wort "Wachstum" in Verbindung mit Wirtschaftsangelegenheiten nicht mehr hören oder lesen: "Wir brauchen mehr und schnelleres Wachstum", "Das Wachstum darf nicht gefährdet/ausgebremst werden", "Unsere Wirtschaft muss stetig weiter wachsen", "Ohne fortlaufende Wachstumssteigerungen kein Wohlstand mehr" usw.
Entschuldigung, aber ich habe da ein Problem: Ist es mit Wirtschaftswachstum nicht ähnlich wie mit allem anderen, was wachsen kann, auch? Gibt es dort keine natürlichen Grenzen, die nicht mehr überschritten werden können? Egal ob Mensch, Tier oder Pflanze - irgendwann stoppt eine natürliche Wachstumsbremse bei jedem bis dahin noch so groß gewachsenen Vertreter der jeweiligen Gattung dessen Wachstumsprozess aus. Der größte Mensch, der gewaltigste Redwoodbaum, der längste Giraffenhals wachsen irgendwann eben nicht mehr weiter. Gelten für das Wirtschaftswachstum eigentlich gar keine oder völlig andere Naturgesetze? 

Dabei stellen sich mir auch Fragen wie "Wer kann heutzutage am meisten von einem ständigen Wirtschaftswachstum profitieren?" und "Was soll tatsächlich wachsen?". Sollen durch beständiges fordern immer weiteren Wirtschaftswachstums auch weiterhin nur die Gewinne/Einkünfte/Vermögen einer im Verhältnis zur großen Mehrheit der Bevölkerung eher kleinen Interessengruppe steigen? Oder sollen ausnahmslos alle hier lebenden Menschen dabei ebenfalls mit wachsen, sprich deren Einkünfte im Verbund mit ihren Lebensbedingungen ebenfalls mit nach oben gehen? Zudem - was nützt das jubeln über eine sich stetig immer mehr steigernde Produktivität, wenn immer mehr Menschen immer weniger von den immer schneller immer kostengünstiger produzierten Waren/Gütern käuflich erwerben können? Ich weiß nicht, aber für mich erscheint ein endloses Wachstum auf Dauer nicht gesund.

Nun sind meine Sach- und Fachkenntnissse in wirtschaftlichen Dingen allerdings recht bescheiden. Somit erschließt sich mir auch nicht, wieso das unentwegte ansteigen der Vermögen einiger weniger bei gleichzeitigen Einkommensverlusten vieler anderer gut für das allgemeine Wirtschaftswachstum sein soll. Etwas simpel und naiv ausgedrückt: Wenn immer mehr Menschen - dank der vielgepriesenen Lohnzurückhaltung inzwischen auch noch aufgrund staatlicher Spardiktate - sich immer weniger leisten können, wie soll dann die Wirtschaft wachsen? Wird dadurch das Wachstum nicht eher abgewürgt statt angeschoben? Die Wirtschaft mag zwar der Motor eines Landes sein, doch sind nicht die Menschen der zwingend erforderliche Treibstoff (Arbeitskräfte) und die Schmiermittel (Kunden/Konsumenten/Auftraggeber)? Ohne Treibstoff und Schmiermittel springt nun mal kein Motor an und lässt sich auch nicht allzu lang am laufen halten. Wieso sollte dann so ein Motor, wenn verstärkt am Sprit und am Öl gespart wird, dauerhaft Höchstleistungen erbringen können? Er muss doch dann ganz automatisch irgendwann seinen Geist aufgeben. 

Jetzt ein kleines Hirngespinst meinerseits: Was wäre, wenn man nicht mehr auf ständiges Wachstum setzen würde? Wenn man einfach mal nach Erreichen eines relativ hohen wirtschaftlichen Niveaus sagen würde: "Es ist gut jetzt, wir sind zufrieden, mehr können und wollen wir nicht erreichen"? Nach meiner simplen Logik sähe das so aus: Es wären so viele Menschen wie nur irgend möglich zu fairen Löhnen/Gehältern in sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen beschäftigt. Gutes Geld für gute Arbeit für möglichst viele Menschen - davon geht bekanntermaßen einiges umgehend wieder in den Konsum- und Dienstleistungsbereich, hiervon profitierte wiederum die Wirtschaft in Form guter Umsätze, somit nachfolgend entsprechender Gewinne und allzeit gut gefüllten Auftragsbüchern, was wiederum auch den Unternehmern/Arbeitgebern ihre "guten" persönlichen Einkommen dauerhaft gewährleisten würde. Der Erhalt bestehender und die Schaffung neuer Arbeitsplätze würde hierdurch begünstigt, frei werdende Stellen würden aufgrund alters- oder krankheitsbedingt ausscheidender Mitarbeiter umgehend neu besetzt, ältere Menschen hätten eine auskömmliche und ihre Lebensleistung würdigende  Rente, junge Menschen eine ordentliche Zukunftsperspektive (auch hinsichtlich einer Familiengründung) usw. Da hierbei ein Rädchen ins andere greift stiegen natürlich die Steuereinnahmen entsprechend, die Sozialkassen würden fortlaufend ausreichend nachgefüllt und der Staat würde zudem eifrig  Ausgaben einsparen, da er z.B. bedeutend weniger Kosten im sozialen Bereich hätte. In der Folge hiervon wiederum könnten die Regelsätze für diejenigen, die auch weiterhin aufgrund von Krankheit oder anderen persönlichen "widrigen" Umständen aus dem aktiven Erwerbsleben ausgeschlossen bleiben, auf ein Niveau angehoben werden, welches diesen Personen eine verbesserte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sowie ebenfalls den Konsum zusätzlicher Waren/Güter sowie die Möglichkeit einer stärkeren Inanspruchnahme von Dienstleistungen eröffnen würde. Auch diese erhöhten "Transferleistungseinkommen" würden somit schließlich schnell wieder zu einem nicht unerheblichen Teil als zusätzlich belebendes Element in die verschiedenen Wirtschaftsbereiche einfließen. Da bei all dem insgesamt gesehen wie in einer Art Kreislauf gegenseitig jeder jeden und alle alles auf einem alle Beteiligten zufriedenstellenden Level am Laufen bzw. Leben erhalten würde, würde m.E. dieser derzeitige ständige Wachstumszwang komplett überflüssig.

Allerdings müsste dafür schon ein enormes Umdenken in den Köpfen unserer Wirtschaftsgrößen samt angeschlossenen "Experten" und dienstbaren Geistern in der Politik stattfinden. Dieses ewige streben nach immer schneller immer noch mehr in unseren Köpfen müsste zuvor natürlich nach dem erreichen eines wirtschaftlichen Niveaus, das ausnahmslos allen Menschen die Teilhabe an einem mehr oder minder ansprechenden "Wohlstand" ermöglicht, dem Gefühl der Zufriedenheit und dem vorrangigen bestreben, dieses Niveau dauerhaft zu halten, weichen. Und selbstverständlich müssten dazu die produzierenden, Handel treibenden und Dienstleistungen anbietenden Wirtschaftszweige wieder verstärkt in den Vordergrund rücken und nicht wie momentan weiter hauptsächlich der Finanzsektor. Mir persönlich ist jedenfalls etwas, das ich sehen, anfassen, riechen und schmecken kann viel lieber als irgendwelche unvorstellbaren Summen, die irgendwo von irgendwelchen Gesichtslosen durch eine eher virtuelle Welt gejagt werden und von denen man heute überhaupt nicht weiß, wie viel davon morgen noch übrig ist.

Ich weiß, ich bin ein alter Einfaltspinsel, aber man wird ja dennoch auch mal ein bisschen träumen dürfen. Aber wäre es andererseits nicht ebenso möglich, dass uns dieser ganze Wachstumswahn irgendwann einmal völlig über den Kopf wachsen könnte?
Zum Schluss noch ein Link zu einem Beitrag, aus dem recht gut ersichtlich wird, wieso es ein ständiges Wirtschaftswachstum gar nicht geben kann:

http://www.wissenschaft-technik-ethik.de/wirtschaftswachstum.html




1 Kommentar:

  1. Ein prima Beitrag.
    Ich denke auch oft: Das liegt doch auf der Hand! Aber die Menschen (der Konsumgesellschaft) sind leider zu träge und um das im Artikel beschriebene "Umdenken" umzusetzen.
    Unsere Lebensgrundlage wird bald aufgezehrt sein...

    AntwortenLöschen