Mittwoch, 25. Januar 2012

Arbeit - ein deutscher Fetisch?

Zum vergangenen Wochenende wurde vermeldet, dass die Zahl der Leih- und Zeitarbeitskräfte langsam aber stetig auf die 1 Mio.-Schallmauer zusteuert (Stand Mitte 2011: 910.000). Diese Nachricht dürfte manch fanatischem Angehörigen der Sekte der extremistisch-neoliberalen Wirtschaftsreligiösen in einigen Parteien und Wirtschaftsverbänden samt angeschlossener "Experten" wohl eine ziemlich feuchte Hose (von innen!) beschert haben. Über den Innenbereich der Hosen von an der forcierten Entwicklung/Umsetzung dieses "Arbeitsmarktinstruments" nicht unerheblich Verantwortlichen wie den Herren Schröder, Steinmeier, Steinbrück, Clement & Co. wollen wir besser gar nicht erst spekulieren.

Mich als Totalverweigerer hinsichtlich Niedriglohnsektor/Leih- und Zeitarbeit/"Bürgerarbeit"/1-Euro- und Minijobs besorgt diese Meldung natürlich. Denn schließlich besagt sie ja, dass eine nicht unerhebliche Anzahl von MitbürgerInnen - wenn auch zumeist nicht freiwillig - sich diesem "Arbeitsmarktinstrument" zur Verfügung stellt. Durch ihre (zugegebenermaßen oftmals "von Amts wegen" erzwungene/erpresste) Bereitschaft, sich als Leih-/ Zeitarbeitskräfte oder anderweitig als Niedriglöhner zu verdingen, tragen sie sie nun mal nicht unwesentlich zur Verfestigung dieses modernen Lohnsklaventums in unserer Gesellschaft bei. Der Druck nach unten, der durch die steigende Zahl dieser Geringverdiener auf (noch) zumindest halbwegs "normale" Löhne/Gehälter ausgeübt wird, sollte dabei auch nicht außer Acht gelassen werden. Nun frage ich mich: Was wäre, wenn ausnahmslos alle von diesen "Arbeitsmarktinstrumenten" Betroffenen sich diesen einfach verweigern würden?

Stellen wir uns mal folgendes Szenario vor: Alle von Niedriglohn, Aufstockung, Mini- und 1,-Euro-Jobs, „Bürgerarbeit“, Dauerpraktika, unfreiwillig ausgeübter 400,- Euro- und Teilzeitjobs sowie von Leih- und Zeitarbeit betroffene Menschen würden auf einen Schlag sagen „Halt, es reicht! Mit mir nicht mehr!“ und sich komplett den aufgezählten "Arbeitsmarktinstrumenten" verweigern (man könnte das ja einen „Streik der Nicht- und Kaum-Bezahlten“ nennen). Wenn wir nun dabei noch berücksichtigen, dass die Zahl der Beschäftigten im gesamten Niedriglohnsektor aktuell rd. 7 Mio. Menschen beträgt wird deutlich, welches Machtpotential allein durch diese enorme Anzahl hier verborgen schlummert. Wenn all diese Menschen einfach von heute auf morgen zuhause bleiben und diejenigen, die von ihrem Jobcenter in entsprechende Arbeitsverhältnisse gezwungen werden sollen, entgegnen würden „Nein! Ich möchte `richtige´ Arbeit!“ kämen so einige „Leistungsträger“ mitsamt ihrer Erfüllungshilfen gehörig ins schwitzen. Da würden sehr viele Räder einfach still stehen und in manchen Wirtschaftsbereichen ginge so gut wie nichts mehr. Die Argen/ Jobcenter würden mit dem Verhängen von mehreren Millionen Sperren und Leistungskürzungen vermutlich schlicht restlos überfordert sein und unter der gewaltigen Anzahl von zu erstellenden Bescheiden regelrecht zusammenbrechen. Durch eine solche Massenverweigerung käme meiner Auffassung nach bestimmt ordentlich Bewegung in die Köpfe unserer "Leistungseliten"!

Natürlich ist das eben erdachte Szenario in der Praxis wohl recht unwahrscheinlich. Es gibt nun mal auch bei den von Niedriglohn betroffenen Menschen sehr viele unterschiedliche Denk- und Verhaltensmuster. Wie überall ist nun mal auch hier alles bunt gemischt vertreten: Mutige und ängstliche Gemüter, obrigkeitshörige und „rebellische“ Charaktere, andere wollen einfach nur ihre Ruhe haben usw. Sie alle unter einen Hut zu bringen dürfte extrem schwierig sein, ganz abgesehen von den Problemen, solch eine konzentrierte Aktion überhaupt zu organisieren. Das vorstehende sollte halt lediglich ein Versuch sein darzustellen, dass viele „Kleine“ z.B. durch gemeinsame Verweigerung so einiges bewegen könnten so sie denn dazu bereit wären.


In diesem Zusammenhang stellt sich mir auch noch die Frage: Wieso wird "die Arbeit" als solche überhaupt bei uns so hoch gehängt? Mir ist z.B. aufgefallen das, wenn man neue Leute kennen lernt, nach der namentlichen Vorstellung oftmals gleich daran anschließend Fragen kommen wie "Was machen Sie beruflich?" oder auch "Ich bin bei `Schulze und Sohn´ in der Buchhaltung beschäftigt. Und wo arbeiten Sie und was machen Sie dort?". Es interessiert also vor allem anderen, ob das neu kennengelernte Gegenüber a) überhaupt Arbeit hat und b) was für eine. Fragen nach dem allgemeinen Wohlbefinden, familiären Verhältnissen, Hobbys/Interessen folgen erst im weiteren Gesprächsverlauf. Sollte die Antwort auf die Frage nach dem beruflichen Wirken allerdings "Ich bin leider z.Zt. arbeitslos" lauten kann es jedoch schnell passieren, dass es keinen allzu langen weiteren Gesprächsverlauf geben könnte. Derartige Antworten führen bei nicht wenigen BundesbürgerInnen heutzutage schnell mal zu skeptischen Blicken und/oder einem Naserümpfen: "Wie jetzt? Keine Arbeit? Na dann viel Erfolg weiterhin bei der Suche. Ich muss jetzt leider weiter.". Nee, mit "so welchen" möchte man dann doch lieber nicht allzu viel zu schaffen haben. Die gehören ja schließlich irgendwie nicht mehr "zu uns".

Oder man lese mal täglich die Todesanzeigen im örtlichen Tagesblättchen. Einleitungen wie "Nach einem langen arbeitsreichen Leben..." oder "Nach einem erfüllten und reichen Arbeitsleben..." sind darin nicht selten vorzufinden. Auf dem kleinen Friedhof meines Heimatortes kann man auf einem Grabstein sogar die Inschrift  "Sein Leben war Arbeit" lesen. Selbst über den Tod hinaus wird hierbei also der Arbeit bzw. dem arbeiten gehuldigt. Als ob derartiges nun etwas über die menschlichen Qualitäten der Verblichenen aussagen würde: Er/sie hat viel gearbeitet und folglich war er/sie allein deswegen auch ein "guter" Mensch.

Der Übersichtlichkeit wegen teile ich diesen Beitrag jetzt mal lieber in zwei Teile auf. Zu lang wird bekanntlich schnell langweilig. Beschäftigen wir uns also mit der Arbeit als urdeutsches "heiliges Gut" im nachfolgenden Beitrag weiter.











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