Neulich erst ist es wieder passiert: Bei einer Kaffeetafel anlässlich einer kleineren Geburtstagsfeier vernahm ich von der gegenüberliegenden Tischseite den Satz: "Aber der Steinbrück, das ist schon ein fähiger Mann. Der sollte Kanzler werden!". Hierauf erfolgte von der Mehrheit der allerdings recht überschaubaren Gästeschar allgemein zustimmendes Kopfnicken und "Stimmt"-Gemurmel. Nun ja, halt alles treue BILD-Leser und RTL aktuell-Zuschauer.
Nachdem ich (mal wieder) ein bisschen gegen den Strom geschwommen war und den versammelten Steinbrückianern ein wenig was über dessen nicht unerhebliche Mitverantwortung bezüglich der Agenda 2010 sowie seinen Einsatz für die Deregulierung der Finanzmärkte und die unangenehmen Folgen davon erzählte, durfte ich (ebenfalls mal wieder ) wie schon so oft die gewohnte Reaktion darauf erleben: Abwinken, Kopfschütteln und ein vereinzelt dahingemurmeltes "Klugscheißer!".
Nun ist so eine Reaktion für mich nicht unbedingt etwas Neues. Eigentlich ist sie für mich von Kindheitstagen an bis heute eine treue und anhängliche Begleiterin. Ich war halt schon immer ein richtiger Bücherwurm, was in meinem persönlichen Umfeld der "kleinen Leute" nicht unbedingt immer auf Verständnis stieß. Wenn ich mir z.B. zu Weihnachten ein Buch wünschte hieß es elterlicherseits oft: "Was willste denn mit diesen alten Staubfängern? Nee, nix da, es gibt was vernünftiges wie was zum anziehen!". Und das ich statt nur vor der Flimmerkiste zu hocken manchmal lieber etwas las wurde im Kreis der Kindheits- und Jugendfreunde auch nicht unbedingt als "normal" angesehen.
Nun bleibt von dem gelesenen jedoch fast immer irgendwas irgendwo im Hinterstübchen hängen. Wenn ich davon mal was zwecks Korrektur eines falsch ausgesprochenen Fremdwortes oder eines nicht ganz richtig wiedergegebenen Sachverhalts angezapft und entsprechend geäußert habe hieß es seit damals schon stets: "Elender Klugscheißer!" oder "Schrecklicher Besserwisser!".
Anfangs habe ich mich im Stillen über solche Bemerkungen durchaus geärgert. Schließlich waren derartige Begriffe in meinen "Kreisen" mit einem eher negativen Image behaftet. Mittlerweile hingegen störe ich mich nicht mehr daran. Ganz im Gegenteil: Ich fühle mich dadurch sogar regelrecht gebauchpinselt! Denn was ist so negativ und "elend" daran, wenn man sich selbst durch gelegentliches lesen Stück für Stück ein bisschen "klüger" macht? Und was ist so "schrecklich" daran, wenn man durch Nutzung vielfältiger Informationsquellen außer der seit Jahrzehnten gewohnten/bevorzugten Tageszeitung und Nachrichtensendung über manche tiefer gehenden Hintergründe hinsichtlich politischer Entscheidungen und Entscheidungsträger ein wenig besser Bescheid weiß? Ich fühle mich durch die regelmäßige Nutzung zusätzlicher Informationsquellen (siehe z.B. die Blogliste rechts) lediglich besser und umfassender informiert als wenn ich mich nur auf ein oder zwei Medien beschränken würde. Und "klüger" gegenüber anderen fühle ich mich auch nicht. Die haben schließlich oftmals Kenntnisse und Wissen von und über Dinge, von denen wiederum ich nur sehr wenig bis gar keine Ahnung habe. Da gleicht es sich eben wieder aus mit der "Klugheit".
Ach ja, und wenn ich aufs Örtchen gehe, dann kommt auch bei mir hinten keine Klugheit raus, sondern nur das, was bei jedem anderen Menschen sonst auch dort rauszukommen pflegt - nicht mehr, aber auch nicht weniger.
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