Freitag, 16. Dezember 2011

Alle Jahre wieder: Ein Sack voll Wohltätigkeit

Es ist wieder soweit - wie in jedem Jahr geht´s gleich nach dem anzünden der ersten Kerze los mit den großen Spendenshows im TV und den pompösen Wohltätigkeitsveranstaltungen: "Spendenmarathon", "Red Nose Day", "José Carreras-Gala", diverse Spenden-Sonderausgaben von Shows wie z.B. der von Carmen Nebel sowie mit etlichen "Charity Events" (meist als "Benefizgalas" ausgewiesen), auf denen sich die Reichen und - je nach persönlichem Geschmack - mal mehr und auch mal weniger Schönen zugunsten der Armen und Hungernden an erlesenen Speisen ordentlich satt essen.

Natürlich ist vom Grundsatz her gegen derartige Veranstaltungen nichts einzuwenden. Geld zu sammeln für einen "guten Zweck" stellt ja nichts Verwerfliches dar. Dennoch empfinde ich einen etwas säuerlichen Beigeschmack hinsichtlich oben genannter Fernseh- und Galawohltätigkeit.

In den Spendensendungen hocken bekanntlich vielfach (selbstverständlich auf eine Gage verzichtende) A- oder auch darunter rangierende Promis am Telefon, um die Anrufe der spendenfreudigen Zuschauerschaft entgegenzunehmen (ob diese Telefonpromis neben ihrer finanziellen Beteiligung durch Gagenverzicht auch noch das eine oder andere Scheinchen aus ihrer Privatschatulle in den Spendentopf werfen würde ich übrigens dann auch immer gern mal wissen).
Allein die Chance, für ein paar Sekunden evtl. sogar mit seinem Lieblingsstar persönlich telefonisch ein paar Worte wechseln zu können dürfte für den/die einen oder anderen Zuschauer der Hauptanreiz zu sein, ein paar Euros für den eigentlichen Zweck der Sendung locker zu machen. Davon können sie noch ihren Enkeln erzählen. Oder sich mangels Enkelkindern ersatzweise beim Damenkränzchen, im Kegelklub und ähnlichem dafür feiern lassen.
Zudem laufen während einer solchen Sendung meistens die Spendernamen unten hurtig durchs Bild. Für nur wenige Sekunden zwar, aber immerhin, sieht also die versammelte Fernsehnation meinen Namen samt Wohnort da durchrauschen! Eine Verwechslungsgefahr mit einem andernorts ansässigen Träger gleichen Namens ist somit nahezu ausgeschlossen.
Die Sendung selbst ist nach dem erfolgten und von Hansi Hinterwäldler höchstselbst entgegen genommenen Anruf ab sofort nur noch uninteressant. Was da erzählt, gesungen und getanzt wird - alles reine Nebensache! Gebannt wird nur noch auf den unteren Bildschirmrand gestiert, auf das denn nun endlich der eigene Name dort durchsausen möge. Und wenn er dann doch noch erscheint wird ein aufgeregtes "Da! Da! Guckt schnell - da ist...äh...war gerade mein Name!" ausgerufen. Mit stolzgeschwellter Brust werden diese maximal 3 Sekunden Prominenz genossen, wird die Größe des Augenblicks förmlich in sich aufgesogen. Das dieser historische Moment natürlich mittels DVD- oder anderweitiger Recorder aufgenommen wird muss wohl nicht extra erwähnt werden. Schließlich möchte man sich diese eine Szene noch jahrelang immer und immer wieder ansehen können.

Auch die Namen kleinerer und größerer Firmen/Unternehmen rauschen immer wieder mal mit auf dem Laufband durchs Bild. Imagegewinn plus bundesweite Werbung - so können gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden. Naja, und zumindest ein Teil der Spende lässt sich sowieso steuerlich absetzen.

Nun frage ich mich jedes Jahr aus Neue: Was wäre, wenn keine Promis am Hörer sitzen würden, sondern nur ganz "gewöhnliche" Mitarbeiter des jeweiligen Senders? Also ganz "normale" Menschen, die keinerlei Bildschirmpräsenz/-prominenz vor- und nachzuweisen haben? Und was wäre, wenn die Spendernamen nicht durch das Bild huschen würden? Wie sähe es dann mit der Spendenbereitschaft unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger aus? Könnten die Moderatoren/-innen der betreffenden Sendungen dann auch jedes Jahr immer neue Höchstbeträge an Spendenzusagen in Millionenhöhe zwischendurch und am Ende der Sendung verkünden? Oder würde für viele der nötige Anreiz zum öffnen ihres Portemonnaies dann fehlen? Wenn man etwas gibt möchte man schließlich auch was davon haben. Und wenn es nur 10 gewechselte Worte mit einem "Star" sind oder eine Sekundenprominenz. Oder am besten beides. Das kann man für die locker gemachten 10, 20 oder wieviel Euros auch immer ja wohl verlangen.

Diese ganzen Benefizveranstaltungen mit Teilnehmern der "gehobeneren Kreise" haben für mich ebenfalls ein gewisses Beigeschmäckle: Die Herren im Nobelsmoking, die Damen in edelster Abendgarderobe, dazu ess- und trinkbare Delikatessen nur vom Allerfeinsten. Und das alles zugunsten derjenigen, die sich ihren Klamottenkauf - wenn überhaupt - höchstens bei "kik" oder "Takko" leisten können und nicht wissen, ob überhaupt und wie sie ihren Kühlschrank mit in Plastik eingeschweißten, nicht immer gerade gesundheitsfördernden Billigstlebensmitteln vom Discounter wenigstens halbwegs ausreichend füllen können. Ganz zu schweigen davon, wenn der Erlös des Galaabends an "Bedürftige" in Hunger- oder andere Katastrophengebiete irgendwo auf dieser Welt gehen soll. Irgendwie hat das für mich was von "Brot für die Welt, den Kaviar für mich!".

Für eine positive Imagepflege ist die Teilnahme an solchen "Charity Events" natürlich bestens geeignet. Wenn man Glück hat wird man in den einschlägig bekannten Regenbogenblättern im hierzu veröffentlichten Bericht erwähnt und mit noch mehr Glück erscheint auch noch ein Foto von einem in dem entsprechenden Artikel. Oder man ist mehr oder weniger zufällig mit aufs Bild geraten. Egal, Hauptsache Presse.
Auch die Boulevardmagazine im TV widmen gern mal einen Beitrag solch einem höhergesellschaftlichen Highlight. Wenn man beim über den roten Teppich flanieren aufgenommen oder sogar von der Fernsehklatschtante vor oder in dem Festsaal interviewt wurde und das Ganze auch noch gesendet wird - das sind schon recht angenehme Streicheleinheiten fürs Ego. Vor allem wohl bei B- und C-Promis, die derzeit auch noch unter einem leichten bis mittelschweren Karriereknick zu leiden haben. Man wird wieder gesehen und vielleicht erinnert sich ja irgendein Film- oder Fernsehverantwortlicher dadurch wieder an eine(n). Ganz flau wird mir immer, wenn ich in so einem Interview dann lesen oder hören muss: "Ich habe bisher so viel Glück gehabt in meinem Leben, da möchte ich von diesem Glück auch mal ein wenig an andere abgeben, die nicht so viel Gück gehabt haben.". Irgendwie sträuben sich mir dabei stets die Nackenhaare, denn so ganz kann ich diese Aussage den Interviewten nicht abnehmen. Da ist für meinen Geschmack eine Prise zu viel Pathos mit beigemengt. Und auch das strahlende Lächeln beim aussprechen so eines Satzes wirkt auf mich irgendwie fehl am Platze.

Meine Frage lautet nun: Wieso eigentlich finden derartige Wohltätigkeitsorgien fast ausschließlich zur Adventszeit statt (von gelegentlichen Flut-, Erdbeben- und AKW-Katastrophen mal abgesehen)? Gibt es nur zu dieser Zeit Hilfebedürftige, egal wo auf der Welt? Fühlen wir uns nur in dieser Zeit zu Mildtätigkeit, Hilfsbereitschaft und Solidarität aufgerufen und berufen? Was ist mit dem Rest des Jahres? Für mich ist da viel Heuchelei mit im Spiel: Sonst prügeln wir recht gern verbal auf sozial Schwächere ein, aber zur Adventszeit spenden wir u.a. auch für eben genau jenen helfende Projekte/Organisationen/Einrichtungen. Nach meinem Dafürhalten passt da jedenfalls irgendwas nicht so ganz zusammen.

Das spenden von Geldbeträgen sowie die Teilnahme an Benefizgalas ist ja eine eher passive Angelegenheit. Im Wort "Wohltätigkeit" ist aber das Wörtchen "tätig" mit eingebaut und hat somit eher etwas mit aktiv sein zu tun. Wäre es also nicht noch viel nützlicher, wenn wir uns das ganze Jahr über "wohltätig" verhalten würden? Uns aktiv an sozialen Projekten aller Art auch mal tatkräftig beteiligen würden? Wenn wir Solidarität, Mildtätigkeit und Mitgefühl mit anderen Menschen an 365 Tagen des Jahres aktiv leben und praktisch ausüben würden (ich spreche mich hierbei übrigens ausdrücklich selbst mit an!)? Selbstverständlich sind Geldspenden für notleidende Menschen sowie soziale und andere Hilfsorganisationen - egal zu welcher Jahreszeit - eine gute und richtige Sache. Und zur Beruhigung des eigenen Gewissens mögen sie bei dem einen oder anderen auch ihren Beitrag leisten. Doch tagtäglich gelebte und praktisch umgesetzte Wohltätigkeit in unserem Umfeld hinter und vor der eigenen Haustür würde uns allen bestimmt noch viel besser tun. Gegen die Bereitschaft zum Geldspenden in der Adventszeit wäre natürlich auch dann nichts einzuwenden!

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