So langsam komme auch ich in die Jahre, wo es am einen oder anderen Körperbereich immer wieder mal zwickt und zwackt. Das ist ein untrügliches Zeichen, neben zunehmender Faltenbildung auf der Stirn, für: Ich werde so langsam tatsächlich alt! Aber das gehört nun mal zum Leben dazu und lässt sich halt nicht ändern geschweige denn aufhalten. Die Frage dabei ist nur: Wie wird man alt und wie wird später, wenn man dann tatsächlich richtig alt ist, mit einem umgegangen.
In früheren Zeiten waren alte Menschen durchaus gern gesehen. Die jüngeren Generationen hatten Achtung vor ihnen und erwiesen ihnen stets den nötigen Respekt. Der Titel einer Schlagerschnulze von Camillo Felgen aus dem Jahr 1961 "Ich hab´ Ehrfurcht vor schneeweißen Haaren" drückt diese auch seinerzeit noch weit verbreitete allgemeine gesellschaftliche Einstellung gegenüber älteren Menschen recht gut aus, egal wie man zu solchen Liedchen ansonsten stehen mag: http://www.youtube.com/watch?v=1gBRLMlKxvI
Alt werden und sein durften die alten Menschen im Kreis der Familie und aufgrund ihrer Lebenserfahrung holte man bei ihnen den einen oder anderen Ratschlag ein. Man bediente sich, falls nötig, eben gern auch mal ihrer "Altersweisheit". Und wenn ein alter Mensch irgendwann nicht mehr so recht "konnte", dann wurde er bis zu seinem Ende zuhause von seinen Familienangehörigen betreut und gepflegt. Die Lebensleistung älterer Menschen und der Fakt, dass sie überhaupt alt waren - ihre Alterswürde - wurde gerade auch durch den liebe- und respektvollen Umgang mit ihnen gewürdigt.
Heute hat sich nicht zuletzt auch der Umgang mit älteren Mitmenschen dem allgemeinen "Zeitgeist" angepasst: Alte Menschen sind nur sehr wenig bis gar nicht mehr produktiv und für viele Familien stellen sie nur noch unnötigen Ballast dar - zumindest wenn bei ihnen nichts mehr zu holen ist oder wenn sie eine umfangreichere Betreuung/Pflege benötigen. Sie werden gemäß dem mittlerweile gebräuchlichen Neusprech nunmehr in die Kategorie "Minder- und Nichtleister" einsortiert und sind demzufolge wirtschaftlich und gesamtgesellschaftlich gesehen eher unbrauchbar und somit überflüssig. Dies gilt jedoch auch für ältere Menschen, die noch nicht das Rentenalter erreicht haben. Auch sie werden großteils nur noch nach ihrer ihnen unterstellten körperlichen "Produktivitätsleistungsfähigkeit" vorverurteilt: Je älter desto langsamer halt. Nicht minder wichtige Faktoren wie ihre persönliche jahrzehntelange Berufs- als auch Lebenserfahrung bleiben bei dieser Denkweise komplett außen vor. Dabei würde diese Erfahrung die evtl. geschwundene Arbeitsgeschwindigkeit mit Sicherheit ausgleichen können. Ein älterer Fußballspieler gleicht seine langsamer gewordene Laufgeschwindigkeit ja z.B. auch durch geschicktes Stellungsspiel aus oder ahnt bestimmte Spielsituationen aufgrund seiner in unzähligen Spielen gesammelten Erfahrungen voraus und kann deshalb dann entsprechend darauf rea- als auch agieren.
Dank dieser "modernen" Denkweise wurden und werden also zahlreiche, von unserer Wirtschaft doch aber angeblich so dringend benötigte und händeringend gesuchte Fachkräfte, als nicht mehr brauchbar aus dem Arbeitsleben ausgeschlossen. Und die bereits erwähnten Vorurteile bezüglich ihres Alters machen es ihnen fast unmöglich, überhaupt einen neuen und wenn, dann auch auskömmlich bezahlten Arbeitsplatz ohne eine Aufstockung ihres Lohnes/Gehaltes beantragen zu müssen, zu bekommen. Nach erreichen des Rentenalters ist ihnen dann die Altersarmut gewiss und sie dürfen weiterhin als Bittsteller auf dem "Amt" vorsprechen. Unter diesen Gesichtspunkten sind die Einführung der Rente mit 67 sowie noch weitergehende Forderungen nach Erhöhung der Lebensarbeitszeit wohl nur als ganz übler Scherz zu verstehen.
Schauen wir nun auf die "richtig" alten Menschen. Auch hier ist es mit der Würde und Würdigung des Alters nicht mehr allzu weit her. Unsere ach so moderne Gesellschaft geht mit ihnen jedenfalls nicht gerade respektvoll um. Eine alte Dame an der Kasse eines Discounters z.B., die ihre Waren etwas langsamer vom Band in den Einkaufswagen legt oder in ihre Tasche packt, die beim bezahlen das Kleingeld im Zeitlupentempo aus ihrer Geldbörse kramt - schon wird dahinter verständnislos mit dem Kopf geschüttelt oder auch mal "Die Alte hält ja den ganzen Betrieb auf" gemurmelt. Oder ein älterer Herr, der an einem Rollator vor uns geht und wir nicht gleich an ihm vorbeipreschen können, weil es ausgerechnet jetzt aus irgendwelchen Gründen nicht ausreichend Platz dafür hat - schon sind wir entsetzlich genervt und murmeln was von "Der dämliche Alte soll mit seinem Arsch gefälligst zuhause bleiben, wenn er nicht mehr richtig laufen kann". Verständnis, Achtung, Respekt, gar Würdigung des Alters? Glatte Fehlanzeige!
Auch in vielen Familien hat sich mittlerweile so einiges verändert, was die Einstellung älteren Familienangehörigen gegenüber angeht. Solange Vater oder Mutter, Opa oder Oma noch einigermaßen "intakt" sind, solange ist es ja noch ganz ok. Aber wenn sie irgendwann an dem Punkt angelangt sind, wo Körper und/oder Geist nicht mehr so recht mitmachen wollen, werden sie irgendwie lästig - zumal wenn sie im gleichen Haus oder quasi gleich um die Ecke wohnen sollten. Sie werden zunehmend zu einer Belastung, die man sich nach Möglichkeit dann doch nicht aufhalsen möchte und schon gar nicht auf längere Sicht hin gesehen. Man hat halt einfach keine Zeit und auch nicht den nötigen Nerv dazu. Man ist nun mal mit sich selbst mehr als genug beschäftigt. Gut, früher lebten 2 oder gar 3 Generationen unter einem Dach. Da konnte man die erforderliche Betreuung und Pflege eines älteren und nicht mehr "funktionstüchtigen" Angehörigen recht gut auf mehrere Schultern verteilen, zumal seinerzeit gerade die Frauen noch überwiegend ganztags daheim waren: Mutter, Tochter, Schwiegertochter - da konnte man sich hierbei noch abwechseln und hatte dadurch nebenher auch noch Zeit für andere Sachen. Aber heute muss nun mal jedes erwerbsfähige Familienmitglied ranklotzen, da das alleinige Einkommen der Männer zur Sicherstellung des Lebensunterhalts einer Familie aufgrund der diesbezüglichen Entwicklungen der letzten ca. 25 Jahre im Gegensatz zu damals einfach nicht mehr ausreicht. Ergo kann auch niemand aus dem Familenkreis diese Aufgabe übernehmen. Folglich bleibt hier nur noch die Ausfahrt "Alten- und Pflegeheim" als Lösungsweg.
Naja, und in Familien, wo die alleinigen Einkünfte eines arbeitenden Familienmitglieds ausreichend wären und somit zumindest ein/e Angehörige/r die Betreuung/Pflege von Oma oder Opa übernehmen könnte, möchte man sich diesem Stress dann lieber doch nicht aussetzen. Schließlich hat man(n)/frau ja trotz des ganztags zuhause verweilens sein eigenes, gern auch mit eigenen Interessen und Hobbys angereichertes, Leben. Das will man(n)/frau sich doch durch derartige Dinge nicht versauen lassen, ganz abgesehen von der körperlichen und psychischen Belastung, die so eine Aufgabe mit sich bringen dürfte.
Tja, Oma und Opa sind jetzt nur noch unnötiger Ballast und müssen demzufolge auch in diesem Fall ins Heim. Dort sind sie schließlich in den allerbesten Händen und gut versorgt ( so hofft man zumindest). Es ist halt für alle Beteiligten einfach am besten so. Man kann sie außerdem dort ja jederzeit besuchen, also brauchen wir auch kein schlechtes Gewissen zu haben. Nicht selten kann es aber vorkommen, dass diese anfangs noch regelmäßig getätigten Besuche im Laufe der Zeit immer unregelmäßiger werden. Irgendwann beschränken sie sich dann nur noch auf den 1. oder 2.Weihnachtstag. Oder aber nicht mehr mal das - aus dem Auge, aus dem Sinn eben. Das Omas oder Opas Rente jetzt komplett für die Heimkosten draufgeht spielt dahingehend bei manchen Leuten zudem noch eine nicht unerhebliche Rolle. Es ist von ihnen weder körperlich/geistig als auch finanziell mehr etwas zu erwarten. Was sollen wir also dann noch mit ihnen?
Über den manchmal (alters)unwürdigen Umgang mit alten Menschen in Krankenhäusern und Seniorenheimen und ihrer einzigen Daseinsberechtigung als "Geldbeschaffungsmaschine" für die "Altersindustrie" werde ich aus eigener Anschauung heraus in einem anderen Beitrag, der sich mit den "Segnungen" der Privatisierung befassen wird, noch näher eingehen.
Im Vergleich zu früher lässt sich abschließend jedenfalls aus meiner Sicht feststellen: Als alternder und als alter Mensch siehst du heutzutage hierzulande oftmals ganz schön alt aus...
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