Freitag, 30. März 2012

Namenstricksereien

Vor einigen Wochen konnte man darüber lesen, dass nicht wenige Lehrkräfte in unseren Schulen die Leistungen der ihnen anvertrauten Schüler auch nach deren Vornamen beurteilen. Aus diesen Namen wird von besagten Lehrkräften also umgehend auf die Herkunft bzw. das soziale "Milieu" geschlossen, aus dem die Schüler ihrer Meinung nach kommen. Ein Kevin oder eine Jacqueline (in manchen Regionen in den neuen Bundesländern  gern auch mal entweder als "Tschacklien" oder als "Schackeliene" ausgesprochen) erhalten also von diesen Lehrerinnen und Lehrern bei gleichen oder gar besseren schulischen Leistungen wie die eines Jakob oder einer Theresa dennoch schlechtere Noten. Nun wissen wir ja, dass selbst gefasste oder auch von anderen eingepflanzte Vorurteile, wenn sie erst mal in den Köpfen der Menschen angekommen sind und sich dort festgesetzt haben, nur sehr schwer aus selbigen herauszubekommen sind - was nun mal leider auch für Lehrkräfte gilt.

Ich habe mir nun also überlegt, wie werdende Eltern ihren zukünftigen Sprösslingen derartige Ungleichbehandlungen ersparen könnten. Mein Vorschlag: Wählt, um solch vorurteilsbehaftete Lehrkräfte zu irritieren, als Vornamen doch einfach Doppelvornamen und hierbei eine Kombination aus vermeintlichen "Unterschichten-" und "Bildungsbürgervornamen". Es gilt das Garfield´sche Motto: "Wenn du sie nicht besiegen kannst verwirre sie"!

Hier nun ein paar entsprechende Vorschläge:

Kevin-Leopold
Anna-Jacqueline
Marvin-Maximilian
Sophie-Doreen
Dustin-Elias
Nele-Marie
Tim-Tom
Chantal-Johanna
Justin-Alexander
Emily-Luisa
usw.

Man könnte, vor allem bei Jungen, evtl. auch eine Kombination aus "modernen" und früher gebräuchlichen Vornamen wählen, z.B.:

Sören-Herbert
Sven-Dieter
Lars-Rüdiger
David-Jürgen
Ernst-Jonas
Rolf-Niklas
Leon-Joachim
Heinz-Felix
Yannick-Helmut
Horst-Dominik
usw.

Ach ja, der Sohn eines Cousins von mir, der sich als Führungskraft bei einer Privatbank verdingt, heißt übrigens - Kevin...

In diesem Sinne ein schönes Wochenende.

Mittwoch, 28. März 2012

Mein Vater - ein deutscher Lebens(ver)lauf

Heute hat mein Vater Geburtstag - 85 wird er nunmehr, der "alte Zausel". Irgendwie ist es aber schon erstaunlich, dass er überhaupt so alt wurde. Das verdeutlicht am besten ein Blick in seine Biographie. Man könnte durchaus sagen, es ist ein "typisch deutscher" Lebenslauf für einen Angehörigen seiner Generation.

Geboren wurde mein Vater am 28.März 1927 in einer kleinen Bergstadt im Oberharz, mitten hinein in eine Familie, deren männliche Angehörige überwiegend Waldarbeiter (oder auch, wie man damals hier sagte, "Holzhauer") waren. Der leibliche Vater war Mitglied der KPD und hat sich 1933 aus Angst vor einer Verhaftung auf dem Dachboden erhängt. Seine Mutter heiratete daraufhin dessen Bruder, also ihren Schwager. Deren Schwester wiederum hat übrigens etwas später den dritten Bruder geheiratet. Es blieb somit sozusagen alles in der Familie. In so kleinen und von der "großen Welt" abgelegenen Ortschaften war derartiges nun mal seinerzeit nicht unbedingt unüblich.

Im Laufe der Jahre bekam mein Vater immer wieder neue Geschwister hinzu, bis sie am Ende deren 8 waren. Da der Stiefvater jedoch lungenkrank war konnte er nicht für ein ausreichendes Familieneinkommen sorgen. Als Ältester hatte mein Vater nunmehr die A...karte gezogen und musste schon früh mit ranklotzen, um durch diverse Tätigkeiten zusätzlich Geld in die Familienkasse zu spülen. Schule war somit eher Nebensache - wichtig war, dass die immer mehr werden hungrigen Mäuler gestopft werden konnten. Deswegen war er auch vom Dienst im "Jungvolk" freigestellt worden.
Zudem hatte mein Vater einen recht ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und fühlte sich durch die Lehrerschaft stets benachteiligt. Aufgrund seiner entsprechenden Aufsässigkeit den Lehrkräften gegenüber hat ihm sein Großvater dann ein Ziegenfell in den Hosenboden eingenäht. So konnte er die körperlichen Züchtigungen, die sein Verhalten den Lehrern gegenüber regelmäßig nach sich zog, recht gut wegstecken. Und als er am Schulentlassungstag bei der Vergabe der Abschlusszeugnisse sein Zeugnis vor den Augen der versammelten Schüler- und Elternschaft umgehend in den am Schulhof vorbeifließenden Bach geworfen hat ist seine Mutter prompt in Ohnmacht gefallen.
Mein Vater (vorn rechts auf der Bank links neben dem Mädchen mit der weißen Schleife im Haarca. 1933/34 vor der Schule


1941 begann mein Vater seine Lehre, natürlich auch als "Holzhauer". Da dies eine "kriegswichtige" Tätigkeit war, war er auch vom Dienst in der HJ befreit. Allerdings musste er hin und wieder in einem Nachbarort an einem "Wehrertüchtigungslager" teilnehmen.
Bei seiner Arbeit kam er nun mit russischen Kriegsgefangenen in Berührung, die zur Zwangsarbeit im Wald abgestellt waren. Seiner Aussage nach hatte er jedoch ein hervorragendes, fast freundschaftliches Verhältnis zu ihnen gepflegt. Im Sommer 1944 wurde er dann mit 17 einhalb Jahren zur Wehrmacht einberufen. Nach einer 6-wöchigen Grundausbildung wurde er in eine Flakeinheit zbV (zur besonderen Verwendung) versetzt. Über diese Zeit hat mein Vater nur wenig gesprochen. Er hatte jedoch viele Jahre lang Alpträume, aus denen er nachts schweißgebadet aufwachte, da er darin erneut die damals empfundenen Todesängste durchlebte. Im April 1945 geriet er in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Als er nach der Gefangennahme sein Essgeschirr auspackte wurde er von einem amerikanischen Soldaten durch einen Schlag mit dem Gewehrkolben erheblich am Kopf verletzt. Nach seiner Genesung  kam er in zwei der berühmt-berüchtigten Rheinwiesenlager (zunächst Bad Kreuznach, danach Rheinberg) http://de.wikipedia.org/wiki/Rheinwiesenlager. Hier hat er, um nicht zu verhungern, im wahrsten Sinne des Wortes Gras gefressen. Da er aus starkem Durst heraus auch Wasser aus den Pfützen getrunken hat erkrankte er wie so viele andere Lagerinsassen auch an der Ruhr. Aber auch das hat er überstanden und wurde im Sommer 1945 nach Hause entlassen.

Nach seiner Heimkehr begann mein Vater umgehend wieder im Wald zu arbeiten. Immerhin war ja während seiner Abwesenheit zuhause weiterer Nachwuchs eingetroffen. Die Arbeit im Wald war zu jener Zeit kein Zuckerschlecken. Es gab in jener Zeit noch keine Motorsägen und um an den jeweiligen Arbeitsplatz im Forstrevier zu gelangen musste zu Fuß und mit Rucksack sowie Äxten und Sägen beladen nicht selten eine Strecke von 8 bis 10km zurückgelegt werden (abends natürlich dann auch wieder zurück). "Schlechtwetter" war damals ebenfalls noch ein Fremdwort und so musste auch im Tiefschnee oder bei Sturm gearbeitet werden. So kam es, dass mein Vater während eines Sturms unter eine umstürzende Fichte geraten ist und sich dabei einen Schädelbruch zugezogen hat. Trotz seiner 1,68m und eigentlich eher schmächtigeren Gestalt war er aber ein zäher Bursche und hat auch das weggesteckt.
Oberharzer Waldarbeiter 1932


Als Jungeselle hat mein Vater ganz gern mal "einen gemocht". Da er im alkoholisierten Zustand jedoch recht schnell "hochging" konnte es dann auch schon mal zur einen oder anderen handgreiflichen Auseinandersetzung kommen. Nach seiner Hochzeit 1952 wurde er allerdings schnell "ruhiger". Das Kennenlernen seiner zukünftigen Frau war allerdings von einem Arbeitskollegen arrangiert worden. Es war also eher eine durch Kuppelei zustande gekommene Ehe und keine reine "Liebesheirat". Auf mich wirkte diese Ehe jedenfalls immer mehr wie eine Art Zweckgemeinschaft.

Mein Vater machte seinen Haumeister (heute Forstwirtschaftsmeister betitelt) und trat der Gewerkschaft bei. Am 1.Mai nahm er stets an den damals an diesem Tag durchgeführten Umzügen im Ort teil und natürlich wurde von ihm als Angehörigen der Arbeiterklasse nur die SPD gewählt. Für ihn wie so viele andere auch war die SPD nun mal die Arbeiterpartei und somit nichts anderes wählbar. Es "gehörte" sich seiner Auffassung nach halt einfach, als Arbeiter die SPD zu wählen.  Trotzdem sagte er als überzeugter SPD-Wähler oft: "Beim Adolf war nicht alles schlecht. Bis 1933 wussten wir zuhause doch gar nicht, was Butter ist. Und als der Adolf dran kam, da war für uns über Nacht auf einmal vieles besser geworden. Der hat sich vor allem um die kleinen Leute gekümmert".
Hier ist mein Vater also durchaus ein typischer Vertreter seiner Generation: "Das mit den Juden und das mit dem Krieg, vor allem gegen Russland, war so nicht ganz in Ordnung. Aber sonst war es eigentlich ganz gut damals".

Irgendwann machte dann sein Rücken die jahrzehntelange Waldarbeit nicht mehr mit und nach einer Kur wurde ihm dringend ein anderes berufliches Tätigkeitsgebiet anempfohlen. 1971 wechselte er zu den Harzwasserwerken und war bis zu seinem Ruhestand 1987 an einer Harzer Talsperre als Talsperrenfacharbeiter beschäftigt.

Der Rausch des sog. "Wirtschaftswunders" ist an meinem Vater und meiner Mutter ebenfalls nicht spurlos vorbeigegangen. 1962 wurde mit dem Bau eines eigenen Hauses begonnen. Hier wurde viel in Eigenarbeit geleistet. Da jedoch  für den Bau ein Kredit aufgenommen werden musste hat sich mein Vater, um die fälligen monatlichen Raten abzahlen zu können, nebenbei als Totengräber verdingt. Morgens um 3 Uhr, bevor er zur Waldarbeit ging, hat er dann Sommer wie Winter auf dem Friedhof die Gräber ausgehoben. Und nach der eigentlichen Arbeit wurde bis spätabends dann noch am Bau gewerkelt. Urlaubsreisen lagen sowohl aus finanziellen als auch aus Zeitgründen demzufolge natürlich nicht drin. Aber 1966 hat mein Vater noch seinen PKW-Führerschein gemacht und es wurde sich selbstverständlich ein VW-Käfer (gebraucht) als Familienkutsche zugelegt.
Unser erster VW-Käfer 1966


Die große Leidenschaft meines Vaters war der Fußball. Er hat selbst gespielt und sogar noch bis zum 65. Lebensjahr weiterhin wöchentlich am Training der "Alten Herren" aktiv teilgenommen. Und natürlich hätte er bis vor 5 oder 6 Jahren, wenn man ihn nachts um 2 Uhr geweckt hätte, aus dem Stand heraus die Endspielaufstellung der deutschen Mannschaft von 1954 aus dem Eff-Eff herunterbeten können. Die "Helden von Bern" waren nun mal auch seine Helden. Aber auch damit ist er in seiner Generation ja nicht allein.

Seinen Ruhestand hat mein Vater natürlich mit ständigem Rumwerkeln an Haus und Grundstück verlebt. Es musste eben alles in Ordnung sein. Und auch das Holz hat ihn nicht losgelassen. Selbst als im Rest des Hauses bereits eine Heizung installiert war hat er in seinem Werkraum im Keller für den Winter weiterhin einen großen Holz- und Kohleofen stehen gehabt. Für diesen musste natürlich stets genügend "Futter" vorhanden sein und so zog er auch jetzt noch so manches Mal in den Wald, um an einer ihm vom Förster zugewiesenen Stelle Holz "aufzumachen".
Im Fernsehen waren logischerweise Fußballübertragungen, aber auch Volksmusiksendungen (großer Fan von Ernst Mosch und seinen Egerländern und von Slavko Avsenik und den Oberkrainern!) und Western das Größte für ihn. Für seinen Geschmack hätte es keine anderen Sendungen gebraucht.

Am 6.Februar 2003 traf meinen Vater wirklich wie ein Blitz aus heiterem Himmel ein Schlaganfall. Glücklicherweise war es aber nur ein leichter und da er umgehend in ein Krankenhaus eingeliefert wurde blieb außer einem leichten nachziehen des rechten Beins nichts weiter davon zurück. Ab 2004 begann bei meiner Mutter jedoch eine Demenzerkrankung ihre erste Wirkung zu zeigen. Die Erkrankung schritt in der Folge recht zügig voran. Mein Vater kam damit aber nicht klar. Er wollte oder konnte das trotz eingehender ärztlicher Aufklärung einfach nicht akzeptieren. Mal sagte er "Nun ist sie wohl verrückt geworden" oder aber "Deine Mutter spielt uns doch nur was vor, um uns zu schikanieren". Im Laufe der Zeit baute er jetzt körperlich zunehmend ab, sodass ich neben meiner Mutter auch zusätzlich meinen Vater immer mehr mit "bemuttern" musste, und nach dem Tod meiner Mutter im Januar 2008 ging bei ihm bewegungstechnisch gesehen fast gar nichts mehr. Und auch sein Interesse am Fußball und seinen TV-Lieblingssendungen ließ damit einhergehend immer stärker nach.
Kurz nach der Beisetzung meiner Mutter musste ihm auch noch ein Herzschrittmacher eingesetzt werden. Nachdem er im darauffolgenden April mit reichlich Wasser im Körper ins Krankenhaus kam stürzte er nach einem eigenmächtigen Versuch, auf einen Toilettenstuhl zu gelangen und brach sich zwei Lendenwirbel. Da eine Operation jedoch aufgrund seines allgemeinen Zustandes nicht möglich war wurde er, als sich das Wasser aufgrund einer entsprechenden Behandlung wieder verflüchtigt hatte, auf ärztliches anraten hin direkt vom Krankenhaus in ein Alten- und Pflegeheim verlegt. Im August desselben Jahres bildete sich das Wasser erneut. Diesmal war es bereits so dicht am Herzen angelangt, dass die Ärzte nur noch wenig Hoffnung hatten. Trotzdem bildete es sich auch jetzt im letzten Augenblick wieder zurück - tja, er war halt schon immer ein zäher Bursche und was er nicht wollte das wollte er eben nicht.

Am heutigen Tag sitzt mein Vater, mittlerweile im Rollstuhl, bis auf ein paar Tage fast genau 4 Jahre lang in besagtem Heim. Anfangs war er zwar etwas widerborstig zu den Pflegekräften - siehe etwas weiter oben: "was er nicht wollte"... - , aber seit drei Jahren hat er sich dort recht gut eingelebt. Die Versorgung und Betreuung im Heim ist sehr gut und inzwischen ist er recht "pflegeleicht" geworden. Geistig hat er inzwischen aber ebenfalls recht stark abgebaut. Aber das ist halt in seinem Alter und unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände "normal". Bei Besuchen ist er sehr mitteilungsfreudig und erzählt gern und viel von früher. Schwänke und Anekdoten aus seiner Kindheit und Jugend z.B. oder Episoden aus seiner Waldarbeiterzeit. Darüber weiß er halt noch alles bis ins kleinste Detail. Nur mit dem Heute hat er so seine Probleme. Er erzählt dann beispielsweise, dass er am Morgen schon um 5 Uhr mit einem seiner Brüder im Wald gewesen sei und Holz "gemacht" habe. Ein andermal ist er Chefdolmetscher bei einem russischen Generalfeldmarschall. Das nächste Mal ist er mit einer 30 Jahre jüngeren Frau liiert und bei einem weiteren Besuch ist er ein großer Sangeskünstler, der "schon ganz viele Schallplatten verkauft hat". Und natürlich hat er auch einen hervorragenden Manager, der ihm viele Auftritte besorgt. Ich gebe zu, das ist manchmal schon unfreiwillig komisch und man muss sich schon gelegentlich ein lautes Auflachen verkneifen. Aber er ist glücklich damit und dann soll er auch ruhig weiter "spinnen".

Tja, mein "alter Herr", du hast nun einen langen und beschwerlichen Weg zurückgelegt - einen für Deine Generation typisch deutschen Lebens-Lauf sozusagen. Wie lang oder auch kurz dein Weg noch sein wird vermag nun mal niemand zu sagen. Es kann von heute auf morgen vorbei sein, aber du kannst auch durchaus noch das eine oder andere Jahr "dranhängen". Diese Jahre, so sie Dir denn gegeben sein sollten, seien dir von ganzem Herzen gegönnt.

Vielen Dank für alles und bis heute nachmittag dann...

Dienstag, 27. März 2012

Nachbetrachtung: Die Santee-Sioux von heute

Wir wollen uns nun ein paar kurze Gedanken zu der Tragödie um Little Crow und seine Santee-Sioux machen. Gibt es Parallelen zu heute, auch bei uns in Deutschland? Und hat sich eigentlich irgendetwas im Vergleich zu damals geändert?

Auch heute beherrschen weiterhin maßlose Gier, skrupellose Geschäftemacherei, Korruption, Hochmut und Arroganz das Denken und Handeln vieler Menschen, vor allem in den sog. "besseren Kreisen". Wenn man sich z.B. so ansieht, mit was für Spekulationsgeschäften heutzutage Geld gemacht wird, kann man durchaus sagen, dass auch hierbei wortwörtlich über Leichen gegangen wird. Und auch heute werden wieder gesellschaftlich schwächere Gruppen ausgegrenzt, verächtlich gemacht, in Elend, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit gestürzt und aus deren Notlage Kapital für einige wenige geschlagen.

Und auch heute klatscht das "Fußvolk" nicht selten auch noch Beifall dazu, empfindet sich diesen Ausgegrenzten und Abgehängten gegenüber als "etwas Besseres" und blickt mit Verachtung auf diese Menschen herab. Wenn man sich manche Bemerkungen in den entsprechenden Kommentarbereichen der verschiedenen Medien durchliest kann man feststellen, dass so manche Kommentatoren auch aus den Reihen der "Normalbürger" einen regelrechten Hass auf die Schwächsten unserer Gesellschaft entwickelt haben und ganz offensichtlich auch kein Problem damit hätten, diese einfach verhungern zu lassen.

Man kann also durchaus sagen: Unsere sozial Schwachen sind die Santee-Sioux von heute.
Die Frage ist nur, wie lange auch sie so geduldig wie Little Crow ihr Schicksal ertragen und ob nicht auch sie irgendwann einmal aus ihrer Mut- und Hoffnungslosigkeit sowie Resignation aufwachen, aus ihrer von "oben" gewollt herbeigeführten, ihnen unerträglich gewordenen Not und Verzweiflung heraus aufstehen und zurückschlagen werden. Wollen wir es wirklich so weit kommen lassen oder sollte nicht besser endlich ein schnelles Umdenken sowohl in den Köpfen der in den verantwortlichen Positionen befindlichen Personenkreise als auch in den unsrigen stattfinden? Irgendwann könnte es nämlich zu spät dafür sein...

Freitag, 23. März 2012

"...dann sollen sie Gras fressen..." Teil IV

Colonel Sibley teilte den Indianern nun mit, die Santees hätten sich als Kriegsgefangene zu betrachten, bis er die Schuldigen unter ihnen ermittelt und gehängt habe. Er ließ nun Geschütze um das Lager herum aufstellen und sandte "halbblütige" Boten aus, die in seinem Namen alle Santees im Minnesota-Tal aufforderten, in das Lager zu kommen. Bei einer Weigerung würden die Betreffenden mit Gewalt gefangen genommen oder getötet werden. In einem extra zuvor errichteten großen Holzbau wurde daraufhin die Mehrzahl der männlichen Indianer - ca. 600 von insgesamt 2.000 - paarweise aneinander gekettet eingesperrt. Sibley berief ein aus 5 Offizieren bestehendes Militärtribunal mit dem Zweck ein, alle Santees, die verdächtigt wurden, sich an dem Aufstand beteiligt zu haben, zu verurteilen. Da Sibley der Auffassung war, dass Indianern generell keine gesetzlichen Rechte zustehen würden, wurde ihnen auch kein Verteidiger gestellt. In Schnellverfahren wurden täglich bis zu 40 Santees verurteilt. Am 5.November 1862 waren die Prozesse beendet und 303 Indianer zum Tode sowie 16 zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden.

Die Verantwortung für die Durchführung der Hinrichtungen schob Sibley allerdings auf den Kommandeur des Militär-Departments Nordwest, General Pope, ab. Dieser wiederum gab sie an Präsident Abraham Lincoln weiter. An Gouverneur Ramsey schrieb Pope: "Die gefangenen Sioux werden hingerichtet, es sei denn, der Präsident verbietet es, was er gewiss nicht tun wird." Lincoln jedoch verlangte die vollständigen Prozessprotokolle und beauftragte 2 Richter herauszufinden, wer von den Verurteilten ein Mörder gewesen sei und wer nur an Kampfhandlungen teilgenommen hätte. Hierüber waren General Pope und Gouverneur Ramsey zutiefst verärgert. Pope: "Die verurteilten Indianer sollten unbedingt ohne Ausnahme sofort exekutiert werden...Die Menschlichkeit (!) erfordert eine umgehende Erledigung der Angelegenheit".
Ramsey versuchte jetzt von Lincoln die Vollmacht zu erlangen, die 303 Delinquenten schnellstens exekutieren zu lassen, verbunden mit der Warnung, dass sich "die Weißen von Minnesota auf eigene Faust" rächen würden, falls der Präsident die Urteile nicht schnell genug vollstrecken ließe.

Sibley ließ mittlerweile die verurteilten Santee in ein Gefangenenlager bei South Bend am Minnesota River verlegen. Während des Vorbeimarsches an New Ulm gelang es einer größeren Gruppe von Einwohnern (in der Mehrzahl Frauen), die Indianer trotz militärischer Bewachung mit Steinen, Heugabeln und kochendem Wasser zu malträtieren, wobei 15 Gefangene erheblich verletzt wurden. In der Nacht zum 4.Dezember stürmte ein Lynchmob das Lager, konnte jedoch von den Soldaten aufgehalten werden. Daraufhin wurden die Indianer am folgenden Tag in ein anderes und besser geschütztes Lager nahe der Stadt Mankato überführt.
Obwohl die restlichen 1.700 Santee keinerlei Verbrechen beschuldigt wurden ließ Sibley sie weiterhin gefangen halten und nach Fort Snelling bringen. Auf dem Weg dorthin wurden auch diese Indianer von rachsüchtigen Weißen mit Steinen und Knüppeln attackiert. Dabei wurde sogar ein Kleinkind seiner Mutter aus dem Arm gerissen und erschlagen. Bei Fort Snelling wurden die gefangenen und weiterhin hungern müssenden Santee in einem Lager auf nassem Boden zusammengepfercht und in primitiven Unterkünften untergebracht.

Präsident Lincoln teilte Sibley am 6.Dezember 1862 mit, dass von den 303 Verurteilten 39 hinzurichten seien. "Die anderen verurteilten Gefangenen sind bis zur Erteilung weiterer Anordnungen festzuhalten. Es ist dafür Sorge zu tragen, dass sie nicht entkommen oder irgendwelche ungesetzlichen Gewalttätigkeiten an ihnen verübt werden". Am 26.Dezember 1862 wurden die Hinrichtungen in Mankato durchgeführt. Eine riesige Menschenmenge wollte diesem grausigen Schauspiel voller Rachsucht und Schaulust beiwohnen. Um die Ordnung aufrecht zu erhalten musste ein ganzes Regiment Soldaten eingesetzt werden.
Ein Indianer war noch in letzter Minute begnadigt worden, sodass insgesamt 38 Verurteilte gegen 10 Uhr vom Gefängnis zum Galgen gebracht wurden. Sie sangen dabei das Todeslied der Sioux. Soldaten streiften ihnen nun weiße Kapuzen über und legten ihnen die Schlingen um den Hals. Das Sicherungsseil wurde auf Befehl eines Offiziers durchschnitten und alle 38 Santee fielen gleichzeitig durch die Luke. Einige Stunden danach wurde von Beamten festgestellt, dass zwei der Gehängten gar nicht auf Lincolns Liste gestanden hatten. Einer dieser beiden hatte einer weißen Frau während eines Überfalls sogar das Leben gerettet. Doch diese Tatsachen wurden erst 9 Jahre später öffentlich bekanntgemacht.

Zwei zeitgenössische Darstellungen der Massenhinrichtung am 26.12.1862

Die Santee, die nicht hingerichtet wurden, wurden zu Haftstrafen verurteilt, darunter auch Big Eagle. Wie er (Zitat: "Hätte ich gewusst, das man mich ins Zuchthaus schicken wird, dann hätte ich mich nicht ergeben, doch als ich drei Jahre im Zuchthaus war und sie mich freilassen wollten, sagte ich ihnen, sie sollten mich noch ein Jahr behalten, wenn sie wollten, und ich meinte es ehrlich") bedauerten viele der Inhaftierten nun, dass sie sich nicht Little Crow und den anderen Häuptlingen angeschlossen und Minnesota verlassen hatten.

Little Crow und seine Gefolgschaft lagerte währenddessen bei "Prärie-Siouxstämmen" am Devil´s Lake im heutigen North Dakota. Den gesamten Winter über versuchte er die Häuptlinge dieser Stämme zu bewegen, sich ihm anzuschließen und gemeinsam mit ihm den Kampf gegen die Weißen aufzunehmen. Doch die "Prärie-Sioux" waren der Ansicht, wenn die Weißen in ihr Land eindringen würden, dann würden sie sich schon gegen sie zu wehren wissen. Zudem sei das Land für alle groß genug und sie könnten notfalls dann ja auch weiter nach Westen ziehen. Ein großer Irrtum, wie sich bekanntlich später herausstellen sollte.
Im Frühjahr 1863 zogen Little Crows Leute sowie die Gruppen um die Häuptlinge Shakopee und Medicine Bottle nach Kanada. Hier versuchte Little Crow in Fort Garry/Winnipeg von den Engländern Hilfe zu erbitten. Er wies sie darauf hin, dass sein Großvater in früheren Zeiten im Krieg der Engländer gegen die Amerikaner stets die Engländer unterstützt habe und die Santees 1812 von den Amerikanern eine Kanone erbeuteten, die sie den Engländern damals zum Geschenk gemacht hätten. Die Engländer hätten daraufhin versprochen, den Santees, wenn sie einmal in Schwierigkeiten stecken würden, die Kanone zurückzugeben und Männer, die sie bedienen könnten, zur Verfügung zu stellen. Nun seien die Santees in Schwierigkeiten und würden dieses Versprechen gern von den Engländern einlösen lassen. Doch die Engländer hatten diese Kanone nicht mehr und so konnten sie Little Crow lediglich etwas Proviant mit auf den Weg geben.

Im Juni 1863 erschien Little Crow als einziger Ausweg, dass er und seine Leute nun "Prärie-Sioux" werden müssten. Da er hierzu jedoch Pferde benötigte entschloss er sich, nach Minnesota zurückzukehren und dort von den Weißen Pferde als Entschädigung für das geraubte Land zu stehlen. Im Juli erreichte er mit einer Gruppe Kriegern die Big Woods, in denen die Santee einst gelebt hatten und wo jetzt eine weiße Siedlung neben der anderen entstanden war. In der Nähe von Hutchinson ging Little Crow am Nachmittag des 3.Juli 1863 zusammen mit seinem damals 16-jährigen Sohn Wowinapa in ein Waldstück, um Himbeeren zu pflücken Dort wurden beide bei Sonnenuntergang von zwei weißen Siedlern entdeckt. Da von der Regierung mittlerweile für jeden vorgelegten Sioux-Skalp eine Belohnung in Höhe von 25 Dollar ausgesetzt war schossen die Siedler sofort auf die beiden Indianer. Little Crow wurde kurz oberhalb der Hüfte in die Seite getroffen. Wowinapa: "Sein und mein Gewehr lagen auf dem Boden. Er hob mein Gewehr auf und feuerte zuerst mit ihm, dann mit seinem eigenen. Eine Kugel streifte den Schaft und traf ihn dann nahe der Schulter in die Seite. Dies war der Schuss, der ihn tötete...Er bat mich um Wasser, und ich gab es ihm. Gleich darauf starb er. Als ich den ersten Schuss hörte warf ich mich auf den Boden, und die Männer sahen mich erst, als mein Vater tot war".

Nachdem Wowinapa seinem Vater für die "weite Reise ins Land der Geister" flink neue Mokassins angezogen hatte und den Leichnam mit einer Jacke bedeckt hatte flüchtete er zurück in das versteckte Lager. Hier warnte er die restlichen Krieger, die sich daraufhin zerstreuten. Er selbst kehrte an den Devil´s Lake zurück. Dort wurde er kurz darauf von Sibleys Soldaten gefangen genommen, denn inzwischen waren weiße Truppen auch ins benachbarte Dakota-Territorium vorgedrungen, um Sioux zu jagen und zu töten. Wowinapa wurde zurück nach Minnesota gebracht und vor ein Militärgericht gestellt, von dem er zum Tod durch Erhängen verurteilt wurde. Hier erfuhr er, dass der Skalp und der Schädel seines Vaters konserviert worden waren und in St. Paul öffentlich zur Schau gestellt wurden. Die beiden Siedler, die Little Crow erschossen hatten, erhielten neben ihrer Skalpprämie von 25 Dollar noch eine zusätzliche "Bonuszahlung" in Höhe von 500 Dollar ausbezahlt.  Da die Behörden in Washington jedoch das Verfahren nach Sichtung der Prozessakten bemängelten wurde Wowinapas Todesstrafe in eine Haftstrafe umgewandelt. Nach seiner Entlassung änderte er seinen Namen in Thomas Wakeman und gründete als Diakon unter den Sioux den ersten Christlichen Verein Junger Männer.
Wawinopa/Thomas Wakeman

Da Shakopee und Medicine Bottle sich in Kanada sicher vor der Rachsucht der Weißen aus Minnesota fühlten, waren sie dort verblieben. Im Dezember 1863 zog ein Bataillon Kavallerie unter Major Edwin Hatch nach Pembina an der kanadischen Grenze. Von dort wurde ein Leutnant nach Fort Garry entsandt, der sich dort heimlich mit einem Amerikaner namens John McKenzie traf. Mit dessen und der Hilfe zweier Kanadier konnten Shakopee und Medicine Bottle zu einem freundschaftlichen Treffen überredet werden. Nachdem die beiden Indianer mit Laudanum vermischten Wein getrunken hatten wurden sie chloroformiert und an Händen und Füßen gefesselt auf einen Hundeschlitten gebunden und über die Grenze nach Minnesota geschafft. Dies verstieß auch damals schon gegen jedes internationale Recht. Colonel Sibley inszenierte gegen die zwei widerrechtlich Gefangenen ebenfalls einen Prozess, in dessen Verlauf beide zum Tode durch Erhängen verurteilt wurden. Der "St. Paul Pioneer" kommentierte das Urteil folgendermaßen: "Wir sind nicht der Ansicht, dass die morgigen Hinrichtungen schweres Unrecht darstellen, doch es wäre imponierender gewesen, wenn ein eindeutiger Schuldbeweis erbracht worden wäre...Kein Weißer wäre von einem aus Weißen bestehenden Gerichts aufgrund des vorliegenden Beweismaterials verurteilt worden". Nachdem die Hinrichtungen am nächsten Tag vollstreckt worden waren erhielt John KcKenzie eine Belohnung in Höhe von 1.000 Dollar.
Medicine Bottle während seiner Inhaftierung vor der Hinrichtung

Der Rest des den Santee noch verbliebenen Landes konnte nun von den Weißen in Besitz genommen werden, ohne dass sie dafür noch irgendetwas bezahlen mussten. Die früher geschlossenen Verträge wurden für ungültig erklärt und die verbliebenen Indianer in eine Reservation im Territorium Dakota überführt. Auch diejenigen Häuptlinge, die mit den Weißen kollaboriert hatten, mussten mit dorthin gehen. Am 4.Mai 1863 verließ das erste Dampfboot mit Indianern St. Paul. Die ehemals freien und stolzen Santee wurden von der Menschenmenge am Kai mit Schmährufen und Steinwürfen "verabschiedet". 
Das Reservat namens Crow Creek lag am Missouri River, war unfruchtbar, niederschlags- und auch wildarm. Das alkalihaltige Wasser war zum trinken völlig ungeeignet. So überlebten nur ein paar Hundert von 1.300 Santees den ersten dortigen Winter. Im Jahr 2000 betrug gemäß eines dort durchgeführten Zensus die Zahl der in Crow Creek lebenden Indianer 2.225 Personen, darunter aber auch Angehörige anderer Sioux-Stämme. 

Bei dem Aufstand kamen Schätzungen zufolge zwischen 500 und 800 weiße Siedler und Soldaten ums Leben. Die Zahl der im Kampfverlauf getöteten Santee dürfte jedoch deutlich niedriger liegen. Wenn nicht etliche Santee-Krieger ihnen stets fair und freundlich gegenüber aufgetretene Weiße rechtzeitig gewarnt hätten wäre die Zahl der getöteten Weißen wohl noch erheblich höher ausgefallen.
Die Tragödie der Santee-Sioux ist ein hervorragendes Beispiel dafür, was Habgier, Korruption, Geschäftemacherei um jeden Preis, Ungerechtigkeit, Anmaßung und Überheblichkeit anrichten sowie aus und mit den Menschen machen können. 
Darüber, welche Parallelen wir aus den damaligen Ereignissen zur heutigen Zeit ziehen können wollen wir uns im nächsten Beitrag noch ein paar Gedanken Gedanken machen. 

Benutzte Literatur: 
Dee Brown: Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses; 
Seiten 50 bis 75
8. Auflage, Hoffmann und Campe, 1979
ISBN 3-455-08873-2

Donnerstag, 22. März 2012

"...dann sollen sie Gras fressen..." Teil III

Während der Belagerung von Fort Ridgely waren einige Banden undisziplinierter junger Santeekrieger auf der Nordseite des Minnesota River umhergezogen, hatten mehrere hundert weiße Siedler in ihren Hütten überfallen und eine nicht unerhebliche Anzahl davon auf brutale Weise ermordet. Da Little Crow sich jedoch auch für die Taten dieser eigenmächtig handelnden Indianer verantwortlich fühlte und befürchtete, dass die Rache der Weißen dafür noch viel blutiger ausfallen würde, entschied er sich dafür, den Krieg fortzuführen.

Am 1.September teilte er seine "Armee" in zwei Gruppen, um den aus St. Paul angerückten 1.400 Soldaten unter Colonel Henry H. Sibley auf beiden Flussseiten entgegen zu ziehen. Sibley war den Santee wohlbekannt. Nach Abschluss des ersten Vertrages hatte er von den 475.000 Dollar, die die Regierung den Indianern für den Abschluss dieses Vertrages versprochen hatte, 145.000 für sich beansprucht. Begründet hatte er dies damit, dass die damals von ihm geführte American Fur Company zu hohe Preise für gelieferte Felle an die Indianer gezahlt hätte. Da daraufhin auch andere Händler ähnliche Ansprüche stellten und diese von dem zuständigen Agenten Alexander Ramsey anstandslos als berechtigt anerkannt wurden war den Santee von dem ihnen vertraglich zugesicherten Geld fast nichts übrig geblieben.
Colonel Henry Hastings Sibley

Am 3.September stieß Little Crows Gruppe überraschend auf eine Kompanie Soldaten in Stärke von 75 Mann. Es entbrannte ein erbitterter Nahkampf und als 6 Soldaten getötet und 15 verwundet waren zogen sich die "Blauröcke" im Eilmarsch in die Stadt Hutchinson zurück.
Weiter südlich bei Birch Coulee war die Gruppe um Big Eagle und Mankato am 5.September ebenfalls auf eine Abteilung Soldaten gestoßen. Nachts hatten die Indianer die "Blauröcke" umzingelt und am nächsten Morgen den Angriff begonnen. Der Kampf dauerte bis zum nächsten Morgen und wurde daraufhin abgebrochen. Gerade als die Indianer einen neuerlichen Angriff auf das Soldatenlager beginnen wollten erfuhren sie, dass Colonel Sibley mit dem Hauptteil seiner Streitmacht im Anmarsch sei und sie zogen sich flussaufwärts bis zur Mündung des Chippewa zurück, wo sie schließlich auf Little Crow trafen. Einige Krieger, die bei Birch Coulee als Nachhut zurückgeblieben waren um die Soldaten noch eine Weile zu beobachten, überbrachten Little Crow eine auf dem Schlachtfeld von Sibley in einem gespaltenen Stock zurückgelassene Nachricht. Hierin wurde Little Crow aufgefordert, wenn er einen Vorschlag zu machen hätte solle er ein Halbblut in das Soldatenlager schicken.

Little Crows Antwort, die am 7.September an Sibley überbracht wurde, lautete:
"Ich möchte Dir sagen, aus welchem Grund wir diesen Krieg begonnen haben. Major Galbraith ist daran schuld. Wir haben einen Vertrag mit der Regierung geschlossen, bekommen aber nicht, was uns zusteht, sodass unsere Kinder verhungern. Die Händler haben den Krieg begonnen. Mr. A.J. Myricks sagte den Indianern, sie sollen Gras oder Dreck fressen. Und Mr. Forbes sagte zu den Lower Sioux, sie seien keine Männer. Und Roberts und seine Freunde haben uns um unser Geld betrogen (Myricks, Forbes und Roberts = Händler der Unteren Agentur). Wenn die jungen Krieger weiße Männer behelligt haben, so habe ich das selbst getan. Ich möchte, dass Du Gouverneur Ramsey das mitteilst. Ich habe sehr viele Gefangene, Frauen und Kinder...Gib dem Überbringer eine Antwort mit."

Sibleys Antwort: "Du hast viele unserer Leute ohne wirklichen Grund ermordet. Schicke mir die Gefangenen mit einer weißen Fahne zurück, dann werde ich mit Dir wie mit einem Mann reden."

Da Gouverneur Ramsey im Vorfeld jedoch geäußert hatte, die Indianer müssten ausgerottet oder für immer aus Minnesota vertrieben werden, traute Little Crow Sibley natürlich erst recht nicht über den Weg. Er beabsichtigte somit, die weißen Gefangenen als Faustpfand zu behalten. Bei den nachfolgenden Beratungen der Gruppen gab es jedoch nun Unstimmigkeiten untereinander, was das weitere Vorgehen anbelangte. Einige Häuptlinge, darunter auch Wabasha, traten für die Beendigung des Kampfes ein. Little Crow jedoch glaubte nicht mehr daran, dass sich die Weißen an die Einhaltung jeglicher Absprachen und Verträge halten würden und rief in einer eindrucksvollen Rede zur Fortsetzung des Krieges auf. Ihm schloss sich daraufhin die Mehrheit der Krieger an.
Wabasha

Dennoch unternahm Little Crow am 12.September noch einmal einen Versuch, den Kampf zu beenden. Er teilte Sibley in einer Nachricht mit, dass die Gefangenen gut behandelt würden und bat ihn, dieser möge ihm als Freund (!) sagen, "auf welche Weise ich Frieden für mein Volk machen kann." Am gleichen Tag jedoch schickte Wabasha heimlich eine Botschaft zu Sibley, in der er betonte, einzig Little Crow habe den Krieg begonnen, er selbst sei zur Teilnahme daran gezwungen worden und das er ein Freund der "guten Weißen" sei. Er bat darin Sibley, ihm einen Ort zu benennen, an den er mit seinen Freunden und den Familien sowie so vielen Gefangenen wie möglich kommen könne, um Sibley dort zu treffen. 

In seiner kurz gehaltenen Antwort an Little Crow machte Sibley diesem Vorwürfe, dass er die Gefangenen nicht freilassen wolle und schloss deswegen einen Frieden kategorisch aus. An Wabasha schickte er hingegen einen langen Brief, der genaue Instruktionen enthielt, wo und wie ihm die Gefangenen zu übergeben seien. Fernerhin schrieb er: "Ich werde mit Freuden alle wahren Freunde der Weißen und alle Gefangenen, die sie bringen, empfangen und ich bin mächtig genug, alle, die sich mir in den Weg zu stellen versuchen, zu zerschmettern, und jene, die ihre Hände mit dem Blut Unschuldiger befleckt haben, zu bestrafen".

Aufgrund Sibleys Antwort war Little Crow nun klar, dass der einzige Weg zum Frieden die Kapitulation war. Diese würde für ihn und seine Krieger allerdings eine große Schmach darstellen. Für ihn gab es also nur einen Weg: Tod oder Vertreibung. Als Späher ihm am 23.September berichteten, Sibleys Soldaten hätten am Wood Lake ein Lager aufgeschlagen, wollte Little Crow hier nun die alles entscheidende Schlacht schlagen. Sein Plan sah vor, die Soldaten nachts leise zu umzingeln, abzuwarten bis sie das Lager in den Frühstunden abbrechen würden und dann loszuschlagen. Unvorhergesehenerweise verzögerte sich der Abbruch des Soldatenlagers jedoch und so mussten die Indianer weiterhin geduldig in ihren Verstecken lauern. Bis dahin waren sie von den Soldaten noch nicht bemerkt worden.
Am späten Vormittag verließ eine aus vier oder fünf Wagen bestehende Kolonne mit einer Eskorte das Lager und rollte in die offene Prärie hinaus. Die Wagen bewegten sich direkt auf eine Gruppe im Gras versteckt liegender Krieger zu und als sie nur noch ganz knapp vor ihnen waren mussten diese, um nicht überrollt zu werden, aufspringen. Zwischen den Indianern und den Soldaten entstand nun ein Feuergefecht und der Hinterhalt war aufgeflogen. Die anderen Krieger konnten von ihren Verstecken aus jedoch nicht in das Geschehen bei den Wagen eingreifen, da sie viel zu weit davon entfernt waren. Stattdessen übernahmen nun die Soldaten im Lager die Initiative und gingen zum Angriff über. Den Kanonen der Weißen hatten die Santee jedoch nicht viel entgegenzusetzen und so wurden sie zurückgetrieben. Häuptling Mankato wurde von einer Kanonenkugel auf dem Boden liegend im Rücken getroffen und getötet. Die Indianer zogen sich nun in einem heillosen Durcheinander durch die Prärie zurück. Sibley verzichtete jedoch auf eine Verfolgung. Seine Männer skalpierten stattdessen sämtliche auf dem Schlachtfeld zurück gebliebenen toten Santee-Krieger. Daraufhin erließ Sibley folgenden Befehl: "Die Körper von Toten, und seien es Barbaren, dürfen von zivilisierten Christenmenschen nicht auf so schmähliche Weise behandelt werden".
Zeichnerische Darstellung der Schlacht von Wood Lake

Am Abend wurde von den Häuptlingen in einem 20km oberhalb des Yellow Medicine River gelegenen Lager eine letzte Beratung abgehalten. Das Ergebnis war, dass die Santees sich aufgrund der Übermacht der Soldaten entweder ergeben, fliehen oder sich ihren westlichen Brüdern der "Prärie-Sioux" im benachbarten Territorium Dakota anschließen müssten. Die jeweilige Entscheidung solle jeder Häuptling für sich und seine Gruppe treffen. 
Der verbitterte Little Crow hielt am folgenden Morgen eine letzte Rede: "Ich schäme mich, ein Sioux zu sein. Gestern wurden 700 unserer besten Krieger von den Weißen besiegt. Es wäre besser, wir würden alle fortlaufen und uns wie Büffel und Wölfe über die Prärie verstreuen. Gewiss, die Weißen hatten fahrbare Kanonen und bessere Waffen als wir, und ihre Zahl war größer als die unsere. Doch das ist kein Grund, warum nicht wir sie besiegt haben, denn wir sind tapfere Sioux und die Weißen sind Feiglinge. Ich kann mir unsere schmähliche Niederlage nicht erklären. Unter uns müssen Verräter sein, die daran schuld sind".
Little Crow, Shakopee und Medicine Bottle ließen ihre Gruppen die Zelte abbauen, verluden ihre Familien und Lebensmittel auf zuvor erbeutete Wagen und zogen nach Westen in die Prärie hinein. 

Das Lager mit den dort zurück gebliebenen kapitulationsbereiten Santee, unter ihnen auch Big Eagle,  erreichte Sibley unter Wabashas Mithilfe am 26.September. Hier wurden ihm 107 weiße und 162 "halbblütige" Gefangene übergeben. Die Gefangenen waren von den Santees ausnahmslos gut behandelt worden. Aber dennoch war die Tragödie Little Crows und der Santee-Sioux damit immer noch nicht beendet.

Fortsetzung folgt...







Mittwoch, 21. März 2012

"...dann sollen sie Gras fressen..." Teil II

Am frühen Morgen des 18.August 1862 griff eine Gruppe unter Führung von Little Crow die Untere Agentur an. Zwanzig weiße Männer wurden getötet und 10 Frauen und Kinder gefangen genommen. Andrew Myrick, der tot auf dem Boden lag, stopften die Santee den Mund mit Gras voll und sagten "Myrick frisst jetzt selber Gras." Die Indianer holten sich nun die Lebensmittel aus den Lagerhäusern und steckten alle Gebäude in Brand. 47 weiße Bewohner konnten unter Mithilfe befreundeter Santee zum 20 Kilometer weiter flussabwärts gelegenen Fort Ridgely entkommen. Unterwegs trafen sie auf eine aus 45 Mann bestehende Kompanie Soldaten aus diesem Fort, die sich auf dem Marsch zur Agentur befand. Trotz der Warnungen der Siedler setzten die Soldaten ihren Marsch fort und gerieten in einen Hinterhalt der Santee. 24 Soldaten konnten fliehen und sich zurück zum Fort durchschlagen.
Andrew Myrick *28.05.1832 +18.08.1862


Mittlerweile waren noch weitere Santeegruppen unter Führung der Häuptlinge Wabasha und Mankato eingetroffen. Zudem erhielt Little Crow die Nachricht, dass noch mehr Indianer von der Oberen Agentur kommend auf dem Weg zu ihm seien. Dadurch ermutigt beschloss er, Fort Ridgely direkt anzugreifen. In der Nacht zogen mehrere hundert Krieger durch das Minnesota-Tal und sammelten sich frühmorgens westlich des Forts. Lightning Blanket, einer dieser Krieger, erinnerte sich später: "Die jungen Männer konnten es kaum erwarten anzugreifen und wir trugen Kriegsbemalung auf, legten Lendenschurze und Beinschützer an und hängten uns große Schärpen um, in die wir Lebensmittel und Munition taten.

Da Fort Ridgely jedoch aus massiven Steinbauten bestand und die Besatzung (ca.150 Soldaten und 25 Zivilisten) gut bewaffnet war kamen einigen Kriegern jedoch Bedenken, das Fort anzugreifen. Ein Angriff auf die Siedlung New Ulm jenseits des Flusses erschien ihnen nun erfolgversprechender, zumal der Ort nicht von Soldaten geschützt wurde und es außerdem dort etliche Läden zu plündern gab. Little Crow entgegnete ihnen, um den Krieg zu gewinnen müssten die Soldaten geschlagen werden. Und wenn die Soldaten erst mal vertrieben worden seien, dann würden auch alle weißen Siedler das Minnesota-Tal verlassen. Durch das töten einiger Weißer in New Ulm wäre nichts gewonnen. Trotzdem machten sich etliche junge Krieger auf den Weg zur Siedlung und die Häuptlinge beschlossen nun, den Angriff auf das Fort auf den nächsten Tag zu verschieben.

New Ulm/Minnesota 1870

Am Abend kehrten die kampflustigen jungen Krieger aus New Ulm zurück. Sie berichteten, sie hätten den Einwohnern dort Angst eingejagt, allerdings wären die Verteidigungsanlagen dort zu stark. Big Eagle beschimpfte sie als "marodierende Indianer", woraufhin beschlossen wurde, zusammen zu bleiben und Fort Ridgely am nächsten Morgen anzugreifen.

Bei Sonnenaufgang zogen rd. vierhundert in mehrere Gruppen aufgeteilte Santee-Krieger los, um das Fort zu erstürmen. Da die einzelnen Gruppen jedoch zusammenhanglos jede für sich vorgingen konnten sie durch gezieltes Feuer aus den Kanonen der Fortbesatzung zurückgeschlagen werden. Der Versuch, das Fort mit Brandpfeilen zu zerstören scheiterte an der simplen Tatsache, dass die Gebäude nun mal aus Stein errichtet waren. Somit wurde der Angriff zunächst erst einmal abgebrochen und die Indianer zogen sich in Little Crows Dorf zurück. Am Abend beratschlagten die Häuptlinge das Für und Wider eines erneuten Angriffs. Little Crow sagte zum Abschluss der Beratung, er würde später entscheiden, wie es weitergehen würde. Als jedoch kurz danach weitere 400 Krieger der Wahpetons und Sissetons von der Oberen Agentur kommend in Little Crows Dorf eintrafen fasste er neuen Mut. Nach einem eilig einberufenen Kriegsrat wurde beschlossen, das Fort am nächsten Tag erneut anzugreifen. Gegen Mittag des 22.August1862 erreichten die Krieger die Umgebung von Fort Ridgely. Sie griffen jetzt aber nicht wie beim ersten Mal auf freiem Feld an, sondern tarnten sich mit an den Kopfbändern befestigten Präriegrasbüscheln und Blumen, krochen durch Gräben und schlichen sich durch Gebüsch, bis sie in Schussweite waren. Durch einen Hagel von Brandpfeilen wurden die Dächer einiger Gebäude in Brand gesetzt und danach die Stallungen gestürmt. Die Soldaten feuerten nun mit ihren Kanonen in diese Richtung und zwangen damit die Indianer zum Rückzug. Little Crow wurde dabei leicht verwundet. Nun übernahm Mankato die Führung und startete einen zweiten Angriff. Als die vorderen Reihen seiner vorstürmenden Krieger von Kartätschensalven aus den Kanonen regelrecht niedergemäht wurden wurde auch dieser Versuch abgebrochen und beschlossen, keine weiteren Angriffsversuche auf das Fort zu unternehmen. Zudem war den Indianern inzwischen bekannt geworden, dass eine 1.400 Mann starke Streitmacht des 6th Minnesota Regiments auf dem Weg von St. Paul zum Minnesota-Tal unterwegs war. 


Daraufhin wurde entschieden, nunmehr doch einen Angriff auf New Ulm durchzuführen. Am 23.August 1862 rückten die Santee-Krieger in einem Bogen auf die Ortschaft vor, fächerten sich 2,5km vor dem Ortsrand auf und begannen mit lauten Kriegsrufen auf die Stadt vorzustürmen. Die Einwohner waren allerdings durch den Überfall der jungen Krieger 4 Tage zuvor gewarnt, hatten Barrikaden errichtet, sich weitere Waffen beschafft und waren durch die Miliz umliegender Dörfer verstärkt worden. Little Crow nahm übrigens nicht an dieser Aktion teil, da er verwundet in seinem Dorf zurück geblieben war. Es gelang den Indianern trotz ihren Ansturm verlangsamenden heftigen Beschuss aus Schießscharten in die Stadt einzudringen. Einige Häuser wurden am windseitig gelegenen Ortsrand angezündet und im Schutz des Rauchs gelangten die Santeekrieger nun in die Stadt. Hier kam es überall in Straßen und Gebäuden zu erbitterten Kämpfen. Bei Einbruch der Dunkelheit zogen die Krieger ab, ohne einen Sieg errungen zu haben. In New Ulm waren allerdings durch das um sich greifende Feuer 190 Gebäude in Schutt und Asche gelegt worden und mehr als 100 Einwohner waren bei den Kampfhandlungen ums Leben gekommen.
Einwohner von New Ulm nach dem Angriff der Santee

Die Santees zogen sich jetzt durch das Minnesota-Tal zurück. In ihrem Gewahrsam befanden sich über 200 Gefangene, vornehmlich weiße Frauen und Kinder sowie zu den Weißen haltende "Halblutindianer". Nachdem ca. 65km von der Oberen Agentur entfernt ein provisorisches Dorf errichtet worden war versuchte Little Crow von anderen "Gruppenhäuptlingen" in der Umgebung, die sich mit ihren Leuten bislang nicht an dem Aufstand beteiligt hatten, Verstärkung zu erhalten. Da es Little Crow jedoch nicht gelungen war, Fort Ridgely zu erobern und die Soldaten zu vertreiben wurde ihm von diesen Häuptlingen jegliche Unterstützung verwehrt. Aber dennoch war der Kampf für Little Crow und seine Santees noch nicht zu Ende.

Fortsetzung folgt...


Dienstag, 20. März 2012

"...dann sollen sie Gras fressen..." Teil I

Der Aufstand der Santee-Sioux 1862

Die Santee-Sioux (auch Dakota) waren die östlichsten Angehörigen der Sioux-Stämme. Sie waren in 4 Gruppen unterteilt (Mdewkanton, Wahpeton, Wahpekute und Sisseton) und lebten in Minnesota. Im Gegensatz zu ihren westlichen Blutsverwandten waren sie jedoch Waldlandindianer. Von den "Prärie-Sioux"  wurden sie auch "Das Volk vom äußeren Ende" genannt. Um 1850 wurde ihr bisheriges Stammesgebiet von über 150.000 weißen Siedlern förmlich überrannt. 1851 traten sie aufgrund zweier unrechtmäßig zustande gekommener Verträge neun Zehntel ihres Landes gegen Zahlung von Lebensrenten an die Weißen ab und wurden in einem Reservat auf einem schmalen Landstreifen am Minnesota River zusammengepfercht. Die Santee versuchten jedoch das Beste aus ihrer Lage zu machen und begannen Landwirtschaft zu betreiben. 

Kurz nachdem die Santee in die Reservation umgesiedelt worden waren fielen Händler und Agenten wie Heuschrecken über die Indianer her und betrogen sie in der Folgezeit um den größten Teil ihrer Lebensrenten.  Zudem begegneten viele der weißen Siedler den Santee mit großer Arroganz. Wamditanka (Big Eagle): "Viele  schienen, wenn sie einen Indianer sahen, durch ihr Benehmen zu sagen `Ich bin besser als du´ und vielen Indianern gefiel das nicht...Dann missbrauchten die Weißen die Indianerfrauen auf gewisse Weise und entehrten sie...All dies erfüllte viele Indianer mit Hass auf die Weißen."

                                                                 Big Eagle  

Im Sommer 1862 verschlechterte sich die Lage der Santee noch weiter zusehends. Es gab fast kein Wild mehr und wenn Indianer in ihre früheren Jagdgründe außerhalb des Reservats zogen, in denen jetzt die weißen Siedler lebten, kam es häufig zu Streitigkeiten. Bereits 1861 fiel die Ernte der Santee schlecht aus und 1862 gab es eine erneute Missernte. So waren sie gezwungen, Lebensmittel auf Kredit bei den weißen Händlern zu kaufen. Da sie jedoch keinerlei Kontrolle über ihre Konten hatten wurden sie von diesen Händlern übel betrogen. Sobald ihre Renten aus Washington zur Auszahlung anstanden wurde von den Händlern komplett Anspruch auf diese erhoben und das Geld wurde ihnen statt den Indianern von den zuständigen Stellen ausgezahlt. Und falls doch ein Santee ein eigenes Kontobuch führte und die Beträge darin viel niedriger als die in den Büchern der Händler waren wurde das von Regierungsseite nicht anerkannt.

Der zuvor über ein Jahrzehnt hinweg trotz allem immer noch mäßigend auf seine Stammesangehörigen einwirkende mittlerweile 60-jährige Mdewkanton-Häuptling Tshe-ton Wa-Ka-wa Ma-ni (Little Crow) wurde nun ebenfalls von Wut erfüllt. Im Juli 1862 zogen mehrere tausend Santee zur Oberen Regierungsagentur am Yellow Medicine River, um ihre ihnen vertragsgemäß zustehenden Renten einzufordern um damit Lebensmittel zu kaufen. Da aber bereits seit über einem Jahr der Bürgerkrieg tobte hatte die US-Regierung zwecks Finanzierung des Krieges keinerlei Geldmittel für die Indianer zur Verfügung gestellt. Little Crow und ein paar weitere Häuptlinge versuchten nun, den zuständigen Agenten Thomas Galbraith dazu zu bewegen, ihnen trotzdem aus dem prall gefüllten Lagerhaus Lebensmittel auszuhändigen. Dieses Anliegen wurde von Galbraith mit dem Verweis auf die fehlenden Gelder abgelehnt und er ließ daraufhin das Lagerhaus von 100 Soldaten bewachen. Am 4.August 1862 umstellten 500 Santee das Lagerhaus. Einige brachen darin ein und holten sich Mehlsäcke heraus. Der befehlshabende Offizier der Wache, Timothy Sheehan, überredete daraufhin aus Mitleid und um eine Eskalation zu vermeiden Galbraith, an die Indianer Schweinefleisch und Mehl auszuteilen und das Geld dafür dann zu kassieren, wenn es aus Washington angekommen sei. Nachdem die Santee die Lebensmittel empfangen hatten zogen sie friedlich ab. Little Crow nahm Galbraith jedoch zuvor noch das Versprechen ab, auch an die Santee, die nahe bei der Unteren Agentur lebten, Lebensmittel zu verteilen.

Little Crow

Galbraith ließ Little Crow aber erst mal ein paar Tage warten. Am 15.August fand in Redwood ein Treffen statt, an dem neben Galbraith und Little Crow samt einer Abordnung mehrerer Santee noch vier weiße Händler teilnahmen. Schnell wurde bei den Verhandlungen deutlich, dass die fünf Weißen von Anfang an nicht die Absicht gehabt hatten, weitere Lebensmittel an die hungernden Indianer zu verteilen, ehe nicht das Geld aus Washington eingetroffen sei. Little Crow schilderte den Weißen die verzweifelte Lage der Santee in eindringlichen Worten. Er bat Galbraith und die Händler flehentlich, es irgendwie doch noch möglich zu machen, Lebensmittel an die Indianer auszugeben, da diese sonst verhungern müssten. Galbraith antwortete Little Crow daraufhin nicht, drehte sich zu den Händlern um und fragte sie nach ihrer Meinung dazu. Einer der Händler namens Andrew Myrick entgegnete lapidar: "Wenn die Indianer hungrig sind, dann sollen sie Gras oder ihre eigene Scheiße fressen." Hierauf war zunächst nur Schweigen zu vernehmen, doch dann erhoben sich die Indianer geschlossen und verließen mit wütenden Rufen das Treffen.

Ganz besonders persönlich verletzt worden war nun Little Crow. Er hatte sich stets um Einhaltung aller Verträge sowie den Frieden zwischen Indianern und Weißen bemüht. Deshalb war sein Ansehen bei seinen eigenem Volk bereits seit einiger Zeit stark gesunken. Ihm wurde die Schuld an der Notlage der Santee zugewiesen und der Abschluss der Verträge mit den Weißen war ihm von nicht wenigen Stammesangehörigen seinerzeit als Verrat ausgelegt worden. Der einzige Weg, sich wieder Ansehen und Respekt bei seinem Volk zu verschaffen, wäre für ihn der Weg des Krieges gewesen. Doch er fühlte sich auch jetzt noch zur Einhaltung der Verträge verpflichtet und lehnte das Begehren vor allem der jungen Krieger, endlich gegen die Weißen gewaltsam vorzugehen, weiterhin ab. Little Crow war außerdem schon im Osten gewesen und hatte selbst gesehen, wie zahlreich und wie gut bewaffnet die Weißen waren. Ihm war dadurch klar geworden: Trotz des Krieges zwischen den Blau- und den Grauröcken würden die Weißen den Santee immer noch sowohl zahlenmäßig als auch waffentechnisch gesehen haushoch überlegen sein. Es kam jedoch bald darauf zu einem Vorfall, der Little Crow entgegen seiner Überzeugung letztlich doch noch zum Krieg zwang.

Am 17.August 1862 hatten vier hungrige junge Krieger das Reservat verlassen, um auf der anderen Seite des Flusses zu jagen. Dabei gelangten sie in die Nähe des Grundstücks eines weißen Siedlers. Einer der Männer fand hier ein Nest mit Hühnereiern und nahm die Eier heraus. Ein anderer Krieger ermahnte ihn, die Eier nicht zu nehmen, da es sonst Ärger mit dem weißen Mann geben könne. Ersterer warf nun die Eier wütend auf den Boden und unterstellte dem anderen, er sei ein Feigling und habe Angst vor dem Weißen Mann. Der durch diese Worte gekränkte Santee erwiderte, er sei kein Feigling und er werde jetzt zum Haus gehen und den Weißen Mann erschießen. Wenn die anderen tapfer genug seien würden sie mit ihm mitgehen. Als die vier jungen Männer in das Haus eindrangen flüchtete der Siedler in ein benachbartes Haus, in dem sich noch weitere weiße Männer und Frauen befanden. Die Santeekrieger verfolgten den Siedler dorthin und töteten in diesem Haus drei Männer und zwei Frauen. 

In der darauffolgenden Nacht erschien eine Abordnung der Gruppe, zu der die vier jungen Krieger gehörten, in Little Crow´s Haus und erstattete ihm über den Vorfall Bericht. Nach Aussage seines Sohnes soll er dabei blass geworden geworden sein und es seien ihm Schweißperlen auf die Stirn getreten. Da nach Meinung der anderen Santee die Weißen Vergeltung für die Morde üben würden sei es von daher besser, zuerst zuzuschlagen und gegen sie in den Kampf zu ziehen. Und da die Weißen im Osten und Süden gegeneinander kämpften sei die Gelegenheit dazu jetzt am günstigsten. Little Crow teilte zwar die Sorge hinsichtlich der Vergeltung, vor allem da Frauen getötet worden seien, aber dennoch wies er auf die trotz des Bürgerkrieges immer noch vorhandene Übermächtigkeit der Weißen seinem Volk gegenüber hin. Einer aus der Gruppe schrie daraufhin, Little Crow sei ein Feigling. War dieses Wort für einen gewöhnlichen Krieger bereits eine gewaltige Kränkung so war es für einen Häuptling natürlich erst recht etwas, das er nicht einfach so auf sich beruhen lassen konnte. Sein Ansehen und der Respekt vor ihm wären endgültig für immer zerstört. Er hielt nun eine Rede, in der eindringlich darauf hinwies, dass die Weißen trotz des Krieges untereinander immer noch zahlreich wie Heuschrecken seien. Zum Ende seiner Rede sagte er: "Ihr seid Narren. Ihr könnt das Gesicht eures Häuptlings nicht sehen; eure Augen sind voll Rauch. Ihr könnt seine Stimme nicht hören; eure Ohren sind voll rauschendem Wasser. Krieger, ihr seid kleine Kinder - ihr seid Narren. Ihr werdet sterben wie die Kaninchen, wenn die hungrigen Wölfe sie im Januar jagen. 
Little Crow ist kein Feigling; er wird mit euch sterben."

Big Eagle versuchte zwar, die Anwesenden doch noch für die Einhaltung des Friedens zu gewinnen, wurde aber niedergeschrien. Das vergangene Jahrzehnt voller Betrug und gebrochener Verträge, die Überheblichkeit  des weißen Mannes und schließlich noch der Hunger - das war eindeutig zuviel für die Santee.
Und so schickte Little Crow Boten flussaufwärts und rief neben seinen Mdewkantons auch die Wahpetons und Sissetons zum Krieg gegen den Weißen Mann auf. Bereits am nächsten Morgen soll der Angriff erfolgen. Erstes Ziel wird die Agentur sein, in der sich gerade u.a auch ein gewisser Händler namens Andrew Myrick aufhält.

Fortsetzung folgt...

Mittwoch, 7. März 2012

Alterswürde - es war einmal...

So langsam komme auch ich in die Jahre, wo es am einen oder anderen Körperbereich immer wieder mal zwickt und zwackt. Das ist ein untrügliches Zeichen, neben zunehmender Faltenbildung auf der Stirn, für: Ich werde so langsam tatsächlich alt! Aber das gehört nun mal zum Leben dazu und lässt sich halt nicht ändern geschweige denn aufhalten. Die Frage dabei ist nur: Wie wird man alt und wie wird später, wenn man dann tatsächlich richtig alt ist, mit einem umgegangen.

In früheren Zeiten waren alte Menschen durchaus gern gesehen. Die jüngeren Generationen hatten Achtung vor ihnen und erwiesen ihnen stets den nötigen Respekt. Der Titel einer Schlagerschnulze von Camillo Felgen aus dem Jahr 1961 "Ich hab´ Ehrfurcht vor schneeweißen Haaren" drückt diese auch seinerzeit noch weit verbreitete allgemeine gesellschaftliche Einstellung gegenüber älteren Menschen recht gut aus, egal wie man zu solchen Liedchen ansonsten stehen mag: http://www.youtube.com/watch?v=1gBRLMlKxvI
Alt werden und sein durften die alten Menschen im Kreis der Familie und aufgrund ihrer Lebenserfahrung holte man bei ihnen den einen oder anderen Ratschlag ein. Man bediente sich, falls nötig, eben gern auch mal ihrer "Altersweisheit". Und wenn ein alter Mensch irgendwann nicht mehr so recht "konnte", dann wurde er bis zu seinem Ende zuhause von seinen Familienangehörigen betreut und gepflegt. Die Lebensleistung älterer Menschen und der Fakt, dass sie überhaupt alt waren - ihre Alterswürde - wurde gerade auch durch den liebe- und respektvollen Umgang mit ihnen gewürdigt.

Heute hat sich nicht zuletzt auch der Umgang mit älteren Mitmenschen dem allgemeinen "Zeitgeist" angepasst: Alte Menschen sind nur sehr wenig bis gar nicht mehr produktiv und für viele Familien stellen sie nur noch unnötigen Ballast dar - zumindest wenn bei ihnen nichts mehr zu holen ist oder wenn sie eine umfangreichere Betreuung/Pflege benötigen. Sie werden gemäß dem mittlerweile gebräuchlichen Neusprech nunmehr in die Kategorie "Minder- und Nichtleister" einsortiert und sind demzufolge wirtschaftlich und gesamtgesellschaftlich gesehen eher unbrauchbar und somit überflüssig. Dies gilt jedoch auch für ältere Menschen, die noch nicht das Rentenalter erreicht haben. Auch sie werden großteils nur noch nach ihrer ihnen unterstellten körperlichen "Produktivitätsleistungsfähigkeit" vorverurteilt: Je älter desto langsamer halt. Nicht minder wichtige Faktoren wie ihre persönliche jahrzehntelange Berufs- als auch Lebenserfahrung bleiben bei dieser Denkweise komplett außen vor. Dabei würde diese Erfahrung die evtl. geschwundene Arbeitsgeschwindigkeit mit Sicherheit ausgleichen können. Ein älterer Fußballspieler gleicht seine langsamer gewordene Laufgeschwindigkeit ja z.B. auch durch geschicktes Stellungsspiel aus oder ahnt bestimmte Spielsituationen aufgrund seiner in unzähligen Spielen gesammelten Erfahrungen voraus und kann deshalb dann entsprechend darauf rea- als auch agieren.

Dank dieser "modernen" Denkweise wurden und werden also zahlreiche, von unserer Wirtschaft doch aber angeblich so dringend benötigte und händeringend gesuchte Fachkräfte, als nicht mehr brauchbar aus dem Arbeitsleben ausgeschlossen. Und die bereits erwähnten Vorurteile bezüglich ihres Alters machen es ihnen fast unmöglich, überhaupt einen neuen und wenn, dann auch auskömmlich bezahlten Arbeitsplatz ohne eine Aufstockung ihres Lohnes/Gehaltes beantragen zu müssen, zu bekommen. Nach erreichen des Rentenalters ist ihnen dann die Altersarmut gewiss und sie dürfen weiterhin als Bittsteller auf dem "Amt" vorsprechen. Unter diesen Gesichtspunkten sind die Einführung der Rente mit 67 sowie noch weitergehende Forderungen nach Erhöhung der Lebensarbeitszeit wohl nur als ganz übler Scherz zu verstehen.

Schauen wir nun auf die "richtig" alten Menschen. Auch hier ist es mit der Würde und Würdigung des Alters nicht mehr allzu weit her. Unsere ach so moderne Gesellschaft geht mit ihnen jedenfalls nicht gerade respektvoll um. Eine alte Dame an der Kasse eines Discounters z.B., die ihre Waren etwas langsamer vom Band in den Einkaufswagen legt oder in ihre Tasche packt, die beim bezahlen das Kleingeld im Zeitlupentempo aus ihrer Geldbörse kramt - schon wird dahinter verständnislos mit dem Kopf geschüttelt oder auch mal "Die Alte hält ja den ganzen Betrieb auf" gemurmelt. Oder ein älterer Herr, der an einem Rollator vor uns geht und wir nicht gleich an ihm vorbeipreschen können, weil es ausgerechnet jetzt aus irgendwelchen Gründen nicht ausreichend Platz dafür hat - schon sind wir entsetzlich genervt und murmeln was von "Der dämliche Alte soll mit seinem Arsch gefälligst zuhause bleiben, wenn er nicht mehr richtig laufen kann". Verständnis, Achtung, Respekt, gar Würdigung des Alters? Glatte Fehlanzeige!

Auch in vielen Familien hat sich mittlerweile so einiges verändert, was die Einstellung älteren Familienangehörigen gegenüber angeht. Solange Vater oder Mutter, Opa oder Oma noch einigermaßen "intakt" sind, solange ist es ja noch ganz ok. Aber wenn sie irgendwann an dem Punkt angelangt sind, wo Körper und/oder Geist nicht mehr so recht mitmachen wollen, werden sie irgendwie lästig - zumal wenn sie im gleichen Haus oder quasi gleich um die Ecke wohnen sollten. Sie werden zunehmend zu einer Belastung, die man sich nach Möglichkeit dann doch nicht aufhalsen möchte und schon gar nicht auf längere Sicht hin gesehen. Man hat halt einfach keine Zeit und auch nicht den nötigen Nerv dazu. Man ist nun mal mit sich selbst mehr als genug beschäftigt. Gut, früher lebten 2 oder gar 3 Generationen unter einem Dach. Da konnte man die erforderliche Betreuung und Pflege eines älteren und nicht mehr "funktionstüchtigen" Angehörigen recht gut auf mehrere Schultern verteilen, zumal seinerzeit gerade die Frauen noch überwiegend ganztags daheim waren: Mutter, Tochter, Schwiegertochter - da konnte man sich hierbei noch abwechseln und hatte dadurch nebenher auch noch Zeit für andere Sachen. Aber heute muss nun mal jedes erwerbsfähige Familienmitglied ranklotzen, da das alleinige Einkommen der Männer zur Sicherstellung des Lebensunterhalts einer Familie aufgrund der diesbezüglichen Entwicklungen der letzten ca. 25 Jahre im Gegensatz zu damals einfach nicht mehr ausreicht. Ergo kann auch niemand aus dem Familenkreis diese Aufgabe übernehmen. Folglich bleibt hier nur noch die Ausfahrt "Alten- und Pflegeheim" als Lösungsweg.

Naja, und in Familien, wo die alleinigen Einkünfte eines arbeitenden Familienmitglieds ausreichend wären und somit zumindest ein/e Angehörige/r die Betreuung/Pflege von Oma oder Opa übernehmen könnte, möchte man sich diesem Stress dann lieber doch nicht aussetzen. Schließlich hat man(n)/frau ja trotz des ganztags zuhause verweilens sein eigenes, gern auch mit eigenen Interessen und Hobbys angereichertes, Leben. Das will man(n)/frau sich doch durch derartige Dinge nicht versauen lassen, ganz abgesehen von der körperlichen und psychischen Belastung, die so eine Aufgabe mit sich bringen dürfte.
Tja, Oma und Opa sind jetzt nur noch unnötiger Ballast und müssen demzufolge auch in diesem Fall ins Heim. Dort sind sie schließlich  in den allerbesten Händen und gut versorgt ( so hofft man zumindest). Es ist halt für alle Beteiligten einfach am besten so. Man kann sie außerdem dort ja jederzeit besuchen, also brauchen wir auch kein schlechtes Gewissen zu haben. Nicht selten kann es aber vorkommen, dass diese anfangs noch regelmäßig getätigten Besuche im Laufe der Zeit immer unregelmäßiger werden. Irgendwann beschränken sie sich dann nur noch auf den 1. oder 2.Weihnachtstag. Oder aber nicht mehr mal das - aus dem Auge, aus dem Sinn eben. Das Omas oder Opas Rente jetzt komplett für die Heimkosten draufgeht spielt dahingehend bei manchen Leuten zudem noch eine nicht unerhebliche Rolle. Es ist von ihnen weder körperlich/geistig als auch finanziell mehr etwas zu erwarten. Was sollen wir also dann noch mit ihnen?

Über den manchmal (alters)unwürdigen Umgang mit alten Menschen in Krankenhäusern und Seniorenheimen und ihrer einzigen Daseinsberechtigung als "Geldbeschaffungsmaschine" für die "Altersindustrie" werde ich aus eigener Anschauung heraus in einem anderen Beitrag, der sich mit den "Segnungen" der Privatisierung befassen wird, noch näher eingehen.

Im Vergleich zu früher lässt sich abschließend jedenfalls aus meiner Sicht feststellen: Als alternder und als alter Mensch siehst du heutzutage hierzulande oftmals ganz schön alt aus...

Dienstag, 6. März 2012

Freiheit - eine tolle Sache...so man sie sich denn leisten kann

Bei uns in Bundesdeutschland gilt der Begriff "Freiheit" anscheinend sehr viel. Es besteht hierzulande (angeblich) eine freiheitlich-demokratische Grundordnung, der Text unserer derzeit gültigen Nationalhymne enthält gleich in Vers 1 ebenfalls dieses Wort, ein Ex-Bundesvorsitzender einer sich selbst als Partei der Freiheit sehenden - mittlerweile aber eher unbedeutenden - politischen Vereinigung Besser- und Bestverdienender ernannte sich 2007 persönlich zur Freiheitsstatue der Republik und auch sonst klingt uns der Begriff "Freiheit" immer wieder aus berufenen Mündern entgegen. Dieses übrigens sehr gern auch in Kombination mit dem Wort "Eigenverantwortung".

Nun wird am 18.03.2012 auch noch ein Präsident ins Amt eingesetzt (von einer Wahl kann man aufgrund der Umstände ja nicht reden), der ebenfalls nicht müde wird, den Begriff der Freiheit - auch und gerade in Verbindung mit der hochgelobten Eigenverantwortung - über alle und alles andere zu stellen.
Sorry, aber ich kann mir nicht helfen: So wie der Begriff von jenen führenden Freiheitsaposteln ausgelegt wird scheint diese Art von Freiheit  für uns Normalbundesbewohner wohl doch keine so tolle Sache zu sein, als die sie uns immer wieder verkauft werden soll. So wie ich es verstehe hat nach dieser Auslegung also jeder Bürger und jede Bürgerin sich selbst der/die Nächste zu sein, sich den jeweiligen Marktbedürfnissen und -erfordernissen anzupassen und unterzuordnen (Freiheit durch Unterwerfung???) sowie bei Nichtbedarf seiner/ihrer Arbeitskraft selbst zuzusehen, wie er/sie eigenverantwortlich ein Dach über dem Kopf behält und sich etwas essbares beschafft.

Meinem bescheidenen Verständnis nach nutzt diese Art von Freiheit hauptsächlich der vergleichsweise kleineren Bevölkerungsgruppe aus den Reihen unsererer wohlhabenderen MitbürgerInnen. Ihnen wird bereits jetzt die Freiheit gegeben, dank entsprechend durchgeführter "Reformen" und sonstiger Maßnahmen in Bereichen wie Arbeitsmarkt und Finanzunwesen auf Rücken und Kosten der Restbevölkerung ihr Vermögen zu erhalten und zu vermehren. Ihre Freiheit beruht somit nicht zuletzt auch auf der Unfreiheit anderer, denn schließlich werden spätestens beim Bezug von ALG II verfassungsmäßig garantierte Grundrechte wie freie Berufswahl, freie Wahl des Wohn- und Aufenthaltsortes, Vertragsfreiheit, Unverletzlichkeit der Wohnung und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit für die davon Betroffenen in erheblichem Maße eingeschränkt. So ganz nebenbei kann in diesen Kreisen der Besser- und Bestverdienenden dank des sonst eigentlich eher verteufelten Staats geschaffenen Niedriglohnsektors oder der Einrichtung von "Rettungsschirmen" die ansonsten von dieser Seite her vielgepriesene Eigenverantwortung bequem von sich auf die restliche Gesellschaft abgeschoben werden.

Ich kann es drehen und wenden wie ich will: Für mich sieht es so aus, dass gemäß den Freiheitsvorstellungen unserer derzeitigen Führungspersönlichkeiten ein freies, eigenverantwortliches und selbstbestimmtes Leben nur denjenigen möglich ist, die über die hierfür erforderlichen finanziellen Voraussetzungen verfügen. Wer hingegen über nur vergleichsweise wenige bis gar keine finanziellen Mittel verfügt kann demzufolge nun mal nicht wirklich frei sein. Man versuche einfach mal, in unserer heutigen Zeit mit keinem einzigen Cent im Portemonnaie oder auf dem Konto ein Leben nach eigener Vorstellung zu führen und das zu tun und zu lassen, was man will. Da wird´s aber echt schwierig.
Falls jemand dieses Freiheitsspiel nicht mitspielen will bleibt ihm halt lediglich die Freiheit, irgendwann unter einer Brücke oder auf einer Parkbank zu nächtigen, Kohldampf zu schieben oder gar zu verhungern. Kurzum: Freiheit nach Maßgabe unserer Führungs- und Leistungseliten ist eine tolle Sache - man muss sie sich nur leisten können.
Dabei fände ich es übrigens durchaus interessant, wie unser neuer Bundespräsident reagieren würde, wenn er irgendwo einmal auf einen Verhungernden treffen sollte. Sagt er ihm dann mit präsidial-pastoral-gutväterlichem  Tonfall: "Mein Sohn, was schaust Du so betrübt und gequält drein? Sei glücklich und zufrieden, denn Du verhungerst schließlich eigenverantwortlich in absoluter Freiheit. Etwas Besseres und Schöneres gibt es nicht auf Erden!"?

Ich weiß nicht, ich weiß nicht, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass unter den derzeitigen und ggf. zukünftigen Voraussetzungen für uns "NormalbürgerInnen" etwas weniger Freiheit, so wie sie von "oben" gemeint ist, durchaus mehr sein könnte...

Montag, 5. März 2012

Foto-Story: Aber, aber Mutti....

...was guckst Du denn so bitterbitterböse aus Deinem Hosenanzug?

                                                      

Du hast doch eigentlich nicht den geringsten Grund dazu. Schließlich läuft für Dich persönlich trotz des einen oder anderen kleineren Ärgernisses alles bestens!

Die "Südländer" hieven nun verstärkt wie von Dir  - nicht zuletzt wohl auch dank des dahingehenden Drucks seitens Deiner Einflüsterer - gewünscht von der dortigen Bevölkerung ungewählte und ungewollte Technokraten in die Regierungsverantwortung. Diese folgen Deinen Aufforderungen behufs des sich totsparens brav und folgsam und so ganz nebenbei werden die nicht zu den "Eliten" zählenden Menschen dort demnächst wie bei Dir zuhause verhartzt. Gut, zur Zeit weigern sich noch etliche davon, sich freiwillig  in diese Armutsfalle zu begeben, aber diese Krawallmacher werden schon noch weich geklopft - notfalls halt im wortwörtlichen Sinne. 

Bei Dir zuhause sieht es auch recht gut aus. Dein gelber Junior hat Dich nach Chrissis Abgang mit der angekündigten Zustimmung zur Bundespräsidenteneinsetzung des Mannes, der die DDR im Alleingang zu Fall gebracht haben soll, zwar schon ein wenig pikiert dreinschauen lassen.


Und auch sonst ist der aufgrund völliger Unfähigkeit eher ein lästiger Klotz an Deinem Bein. Aber im nächsten Jahr bekommst Du ja die SPD an Deine starke Seite und dann hast Du wieder wie schon einmal einen willfährigen Partner, der alles was Du so ausheckst anstandslos - auch das im wahrsten Wortsinne -  mit trägt. 

Naja, und den Achim magst Du zwar persönlich nicht ganz so gut leiden, aber ideologisch seid Ihr zwei doch durchaus auf der gleichen Wellenlänge. Das der Achim alles an Gesetzen, was den Märkten nützlich erscheint, widerspruchslos unterschreiben wird und jede damit einhergehende Verschlechterung der Lebensbedingungen für die Restbevölkerung  eben dieser mit pastoral-präsidialen Worten als gottgewollt unterjubeln wird, ist letzten Endes für Dich doch eine feine Sache. 

Die Fußball-EM steht auch noch vor der Tür. Da kannst Du wieder umsonst von der Ehrentribüne aus die Spiele der deutschen Mannschaft live und in Farbe angucken, bei Erfolgserlebnissen fröhlich herumhüpfen 



und Dich bei Misserfolgen so richtig schön ärgern.

   

Ok., Du wirst dann nicht mehr neben dem Theo sitzen, sondern neben dem Wolfgang, aber das ist eh geschenkt. 
Praktischerweise  lassen sich während der EM auch die zuvor noch schnell ausgekungelten Schweinereien wunderbar unters Volk bringen, ohne das es davon überhaupt was mitkriegt. Das ist doch nun wirklich toll, nicht wahr, Mutti?

Die Einführung der von Dir angestrebten marktkonformen Demokratie schreitet zudem unaufhörlich voran. Wenn diese - natürlich wie bei Dir üblicherweise stets alternativlose - Umbaumaßnahme endgültig und erfolgreich abgeschlossen ist und Deine Lieblingskinder, die Märkte, dann ganz offen die Regierungsgeschäfte führen brauchst Du Dich um nichts mehr sonst zu kümmern und hast außer dem halten der Neujahrsansprache eigentlich nichts mehr weiter zu tun. Da Du nach Deiner erstmaligen Wahl zur Kanzlerin sinngemäß sagtest, Du sähest Dich in diesem Amt eher als Moderatorin denn als Regierungschefin , könntest Du dann doch die Moderation von "Wetten dass" übernehmen. Gut, im Moment sieht es danach aus, als ob der geschniegelte Markus das machen soll, aber diesen dahergelaufenen Südtiroler wirst Du schon noch rauskegeln. Schließlich hast Du mit dem entfernen unliebsamer oder lästiger Kerle so einiges an praktischer Erfahrung vorzuweisen. Und nach so einem gelungenen Coup schmeckt das Feierabendpils doch gleich noch mal so gut, oder? Denn schließlich sprach schon Lehrer Lämpel: "Ach die größte Freud ist doch die Zufriedenheit!"

Die letzten Umfrageergebnisse sagen aus, dass Du in der Bevölkerung derzeit so großes Vertrauen wie seit langem nicht mehr genießt. 64 von möglichen 100 Punkten, das ist in diesen Zeiten schon eine recht ordentliche Hausnummer. Du kannst es ruhig zugeben, dass Du darüber zumindest so etwas wie stille Freude empfindest!


Tja, von so einem verblödeten Volk wie Deinem können manch andere Regierungschefs nur träumen, vor allem in südeuropäischen Gefilden.

Du siehst also, liebste Mutti: Für Dich läuft es rundum hervorragend! 
Kein Grund also, weiterhin so missmutig in die Welt zu blicken! 
 

Nun denn, Mutti unser, lass Dir das vorgeschriebene noch einmal durch den Kopf gehen und mach bitte bitte endlich wieder ein fröhliches Gesicht! Denn wenn wir schon keinen Grund dazu haben - Du hast ihn allemal!