Donnerstag, 20. September 2012

Der "SPD Bürger-Dialog" - Fakt oder Fake?

Am kommenden Montag soll es unter dem Motto "Wir hören zu" also losgehen mit dem großartig vorangekündigten SPD Bürger-Dialog. Auf diversen Vor-Ort-Veranstaltungen, per Telefon oder E-Mail können sowohl SPD-Mitglieder als auch Nichtmitglieder in einer Art "Bürgerkonferenz" ihre Meinungen zur derzeitigen Parteipolitik äußern sowie eigene Lösungsvorschläge für die drängenden Probleme der Nation einreichen. Aus den "interessantesten" Vorschlägen sollen "konkrete Lösungen erarbeitet und als Bürgerprojekte ausformuliert" werden. Nach Überreichung dieser dann fertig ausformulierten "Bürgerprojekte" an das SPD-Führungspersonal sollen diese schlussendlich Eingang in das SPD-Regierungsprogramm 2013 finden:

http://www.spd.de/aktuelles/News/76502/20120919_bd_ankuendigung.html;jsessionid=47EBACD5E1FA5B62BC4D1061E9B538FE

Das liest sich zunächst einmal alles ganz vielversprechend. Doch bleiben wenigstens bei mir dann letztlich doch starke Zweifel, ob das Ganze denn tatsächlich so ernst gemeint ist wie es sich auf den ersten Blick liest. Bleibt es am Ende nur beim "zuhören"?  Oder werden die als "interessant" ausgewählten Bürgerwünsche und - vorschläge später getreu dem Motto "Schön, dass wir darüber gesprochen haben" abgehakt, so sie denn nicht den von der momentanen SPD-Spitze verfolgten neoliberalen Denkschemata entsprechen sollten? Ist das evtl. gar nur ein wahlkampftaktisches Manöver, um a) der eigenen Basis ein Gefühl von "Mit-Macht" zu suggerieren und b) um den noch unentschlossenen Wählerinnen und Wählern vorzugaukeln "Seht nur, liebe Leute, die altehrwüdige SPD ist die einzig wahre bürgernahe Volkspartei, die Euch und Eure Sorgen ernst nimmt!".
Wer entscheidet z.B. darüber, welche Bürgervorschläge denn nun "interessant" sind und unter welchen Kriterien wird diese Auswahl getroffen? Was ist, wenn eine große Mehrheit die Rücknahme der Sanktionspraxis beim Alg II einfordern sollte oder gar die vollständige Abwendung vom Agenda 2010-Kurs? Was ist, wenn die Masse der Vorschläge eine rigorose Eindämmung der Macht der Finanzwirtschaft beinhalten sollte? Was wäre mit Forderungen nach einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 12,50 Euro oder mehr? Was mit den Forderungen hinsichtlich eines Rückbaus des Niedriglohn-/Leih-und Zeitarbeitssektors? Nicht ein einziger dieser Punkte wäre doch mit dem derzeitigen Seeheimer-Führungspersonal aus "Reformern", Deregulierern/Privatisierern und Marktgläubigen überhaupt auch nur ansatzweise zu diskutieren. Derartige "Bürgerwünsche"  würden von dieser Seite her mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ganz schnell als "wirklichkeitsfremd", "sozialromantische Spinnereien" und "unrealisierbar" abgebürstet werden.

Auf dem nächsten SPD-Bundesparteitag werden mit Sicherheit sowieso genau die gleichen Brandstifter zu Feuerwehrleuten hochgejubelt wie bisher und der vermutliche Kanzlerkandidat wird ebenso sicher genau aus deren Mitte kommen. Da mag auf dem Parteitag unter Umständen über solche nicht auf Parteiführungslinie liegenden Bürgervorschläge durchaus diskutiert werden können dürfen, vielleicht sogar leidenschaftlich, aber am Ende wird es erneut heißen: "Die Partei muss in Wahlkampfzeiten von der Spitze angefangen bis runter zur Basis Geschlossenheit nach außen demonstrieren. Deshalb sagen wir sowohl unserem Kanzlerkandidaten als auch der Parteiführung sowie dem von diesen vertretenen Kurs unsere uneingeschränkte Unterstützung zu!" - großer Jubel der Delegierten und standing ovations für Kandidat und Führungspersonal samt der von diesen vertretenen politischen Linie.

Der größtmögliche SPD-Wahlerfolg dürfte aller Wahrscheinlichkeit ohnehin in einer Juniorpartnerschaft innerhalb einer großen Koalition mit CDU/CSU liegen. Daran erinnert man sich auch heute noch gewiss nur zu gern zurück: "Ach, wie war es ehedem, als Juniorpartner so bequem". So lässt sich wie seinerzeit gewohnt auch beim nächsten Mal bei - der eigenen Stammwählerschaft gegenüber - eher unpopulären Entscheidungen wunderschön auf den sturen unwilligen Koalitionspartner, gewisse Rücksichtnahmen und Sachzwänge sowie Alternativlosigkeiten verweisen. "Wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, aber...", die berühmten "großen Bauchschmerzen", usw.
Ich kann es jedenfalls schon jetzt hören: "Das einbringen der in unser Regierungsprogamm mit aufgenommenen Bürgervorschläge in die Regierungsarbeit ist mit unserem derzeitigen Koalitionspartner leider nicht zu machen".

Erst wenn innerhalb der gesamten SPD wirklich und wahrhaftig eine Rückbesinnung zu tatsächlicher sozialdemokratischer Politik stattgefunden hat, wenn die SPD endlich wieder geschlossen in allererster Linie die Interessen aller ArbeitnehmerInnen und aller sozial Schwachen lautstark und tatkräftig vertritt (wozu eine Entmachtung der "Seeheimer" zwingend vonnöten sein wird), wenn dem "zuhören" also auch entsprechende Taten folgen, erst dann wird sie für mich wieder wählbar sein. Bis dieser aus heutiger Sicht eher unwahrscheinliche Fall eintritt verbuche ich die "Operation Bürger-Dialog" lediglich als Wahlkampfgetöse. Es gilt auch hierbei aus meiner Sicht "Vor der Wahl ist nun mal nicht nach der Wahl".
Ich ließe mich von der SPD zwar nur allzu gern eines Besseren belehren, aber es fehlt mir aufgrund der  hinlänglich bekannten Erfahrungen mit dieser Partei in den vergangenen Jahren irgendwie der rechte bzw. "linke" Glaube daran...

5 Kommentare:

  1. Deinen Pessimismus teile ich; besonders mit den Bewahrern der Agenda (Troika) als Kanzlerkanditaten...

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  2. Hallo,

    ich beobachte diese Volksverdummung schon einige Zeit.
    Dieser angeblich "neue Bürgerdialog" ist gar nicht so "Neu" und ich kann jetzt schon schreiben, dass sich auch bei der SPD nichts ändern wird.

    Zuerst habe ich diese Form der "Bürger machen mit" Blablas bei der FDP vor den Bundestagswahlen 2009 gesehen
    http://www.deutschlandprogramm.de/webcom/show_article.php/_c-1213/_nr-4/i.html

    Dann kamen diese "Mitmachrunden" bei den Grünen (Stichwort "Zukunftskongress")
    http://antriebzukunft.de/
    (Die Stichwörter "Gerechtigkeit und Teilhabe" wurden letztendlich nur auf "Frauenquoten beschränkt)

    Und jetzt eben die SPD (wobei die FDP wieder auf "Bürgerdialog" setzt, auch dieses Jahr.)

    Das sich gerade die SPD NICHT geändert hat, kann man schon in dieser pdf "Nausteine eines Modernisierungsprogramms"
    http://www.spdfraktion.de/sites/default/files/spd_d20_web.pdf

    lesen.

    Da steht z. B. auf Seite 16

    ""Strukturreformen, Energiewende und starke Industrie

    Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben Deutschland nach 1998 modernisiert, Strukturreformen in Angriff genommen, die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte angepackt und unsere Volkswirtschaft gemeinsam mit den Sozialpartnern im internationalen Vergleich wieder wettbewerbsfähig gemacht. Es ist heute allgemein anerkannt, dass die Arbeitsmarktreformen die Beschäftigungsschwelle des Wachstums gesenkt und dass insbesondere die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe nicht nur die Statistik ehrlicher gemacht, sondern auch manche Perspektivlosigkeit überwunden hat. Die Langzeitarbeitslosigkeit konnte zum ersten Mal seit Jahrzehnten spürbar gesenkt werden. Gleichzeitig mit den Strukturreformen haben wir für ein hohes Niveau an Investitionen in Bildung, Wissenschaft, Infrastruktur und neuen Technologien gesorgt. Die Energiewende begann vor mehr als zehn Jahren mit dem planungs- und rechtssicher angelegten rot-grünen Atomausstieg und dem parallel laufenden Ausbau der Erneuerbaren Energien. Deutschland gehörte damit zu den ersten Nationen weltweit, die sich den Herausforderungen eines nachhaltigen Wachstums und des Klimaschutzes gestellt haben. Dabei hat es sich als richtig erwiesen, wirtschaftspolitisch auf reale Wertschöpfung und eine starke industrielle Basis zu setzen. Das Geheimnis unserer robusten Volkswirtschaft steckt im Zusammenspiel zwischen Industrieunternehmen, Mittelstand und damit verflochtenen Dienstleistungen. Anderen Ländern wie England oder Irland, die im letzten Jahrzehnt einseitig auf Finanzdienstleistungen gesetzt und ihre industrielle Basis vernachlässigt haben, gilt Deutschlands starke Industrie inzwischen wieder als Vorbild – gelten doch Deindustrialisierung und Exportschwäche ebenso wie ein aufgeblähter Finanzsektor als wesentliche Ursachen der Schuldenkrisen in anderen Ländern. ""

    Jetzt wollen die es "noch Besser" machen, indem die "Indeen und Vorschläge gesammelt werden und dann (wahrscheinlich von der Parteispitze/Troika) die "interessanten Themen ausgesucht und veröffentlicht werden.

    Bei dem obigen Auszug kann man sich vorstellen, dass kritische Kommenatre zu Hartz IV / Niedriglohn usw. "nicht interessant genug" sind und nur die "Vorschläge ausgesucht werden, die der "Spitze" gerade passen.

    Ab und zu motze ich dort auch noch etwas (man darf das auch als Nicht-Parteimitglied und auch als Kritiker), aber im Endeffekt läuft es ab 2013 auf Schwarz-Rot hinaus, wobei die Grünen auch nicht besser sind, da sie zu viel verbieten wollen. Die anderen Parteien fallen kaum noch ins Gewicht.

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  3. hi zusammen,

    ist gabriel der erste politik-clo(w)n, der die warptechnik nutzt?

    aufgrund einer neueren diskussion um den warpantrieb http://www.gulli.com/news/19757-nasa-forscher-konkretisiert-warp-antrieb-konzept-2012-09-18 und den "sprechzeiten" seines auftritts beim morgigen "bürgerdialog" muß ich das für möglich halten.

    zuerst taucht er von 15-16 uhr in der wilhelmstraße auf, um dann direkt von 16-16.30 uhr am potsdamer platz zu erscheinen. http://www.spd.de/aktuelles/76502/20120919_bd_ankuendigung.html

    wie könnte er sonst innerhalb von sekunden von einem zum anderen ort wechseln? es sind schließlich sicher mehr, als die 5 minuten aus dem routenplaner an zeit nötig, um vom einen dualog zum anderen dialog zu kommen. http://www.stadtplandienst.de/routing/result/routemap.asp?sid=431b902f3709990c665506ee388f6c08&pID=1&wholeroute=1

    die unterschlagung demokratischer minuten des herrn gabriel oder spd - sehr pünktlich da ;-)

    sonnige grüße
    glaubdir ;-)

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  4. Wahltaktik und Verneblungsabsicht - meine ich. Ich bin froh, deinen Blog zufällig entdeckt zu haben.

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  5. Warum denn immer so negativ? Wenn die SPD nichts macht ist es nicht richtig und wenn sie was macht auch nicht.
    Natürlich können nicht alle Vorschläge einer halben Million Mitglieder berücksichtigt werden, genauso wenig wie Tausende der Nichtmitglieder. Hier sollte man mal seine Erwartungshaltung überprüfen. Genauso utopisch ist es zu gleuben Vorschläge die in ihrer Umsetzung nicht bezahlbar sind könnten eine Chance auf Realisierung haben. Warum sollte auch wenn man gleichzeitig verantwortungsvolles handeln der Partei erwartet. Es werden diesbezüglich auch gar keine Versprechungen gemacht. Im Gegenteil, es wurde vom Vorsitzenden extra drauf hingewiesen, dass die Umsetzung bezahlbar sein muss. Die Ziele die man erreichen will sind ganz andere, aber dafür müssten die ewigen Nörgler dann halt mal mehr lesen als nur Überschriften und Schlagzeilen.

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