Mittwoch, 18. Juli 2012

In freier Wildbahn beobachtet: Die Kopf einziehenden Nach-unten-Gucker

Ich weiß nicht, ob es nur mir immer wieder auffällt oder aber ob es lediglich eine Besonderheit in meiner Region ist. Aber wenn ich so durch die etwas belebteren Straßen meines Wohnortes oder auch der umliegenden kleineren und größeren Ansiedlungen schlendere fällt mit immer wieder das gleiche auf: Nicht wenige Menschen, die vor mir gehen und/oder die mir entgegenkommen, zeichnen sich durch ganz spezielle Körperhaltungen aus. Sie trotten entweder mit leicht nach unten geneigtem Kopf sowie Nacken- und Schulterbereich oder aber mit hochgezogenen Schultern, den Kopf darin eingezogen, und in beiden Fällen gesenkten Blickes nach unten starrend, vor sich hin. Von allem, was um sie herum ist und was da so vor sich geht, scheinen sie auf ihrem Weg durch die Straßen kaum etwas wahrzunehmen. Auffällig ist, dass es sich bei diesen Kopftiefhaltern und Kopfeinziehern fast ausschließlich um erwachsene Menschen, Alter sagen wir mal so ab Anfang 30 aufwärts, handelt. Kinder und andere noch verhältnismäßig junge Leute wandeln somit also anscheinend (noch) aufrechter durch die (Lebens)Straßen.

Nun stellt sich die Frage, warum diese "eingezogenen Nach-unten-Gucker" ihre eigentümliche Körperhaltung beim gehen bevorzugen. Bequemer als aufrecht zu gehen dürfte das jedenfalls nicht unbedingt sein. Außerdem erkennt man vor einem liegende mögliche Hindernisse wie Laternenpfähle oder ähnliches in dieser Haltung meistens erst recht, manchmal auch zu spät. Liegt diese besondere "buckelige" Gangart evtl. daran, dass die von diesem "Leiden" betroffenen Menschen tagtäglich besonders schwere unsichtbare Lasten, die auf ihren Schulter- und Rückenbereichen ruhen, mit sich herumschleppen müssen? Oder ist das unter Umständen eine Körperhaltung, die der Konzentration oder gar der Meditation während des Gehens besonders zuträglich ist? Möglicherweise schämen sie sich ja auch nur für irgendwas und trauen sich deshalb nicht so recht, ihre Köpfe gerade und dabei den Blick frei nach vorn gerichtet zu halten. Vielleicht ist das aber auch eine körperliche Folgeerscheinung der allzu intensiv oder exzessiv ausgeübten alten und beliebten deutschen Volkssportart "Nach oben buckeln, nach unten treten".

Ich habe diese Haltung beim gehen übrigens selbst einmal viele Jahre lang praktiziert. Trotzdem kann auch ich nicht genau sagen, wieso das seinerzeit so war. Vermutlich war das bei mir eine Mischung aus allem, was soeben als mögliche Ursachen für dieses Kopf-einziehen-und-nach-unten-starren während der fußgängerischen Fortbewegung angedacht wurde. Seit ich mich jedoch langsam aber stetig nach und nach vom allgemeinen "typisch deutschen" Massendenken und Massenverhalten ausgeklinkt habe ist mein Gang dabei auf wundersame Weise wieder von ganz allein immer aufrechter geworden. Dieses sich ausklinken aus althergebrachten deutschen Denk- und Verhaltensmustern scheint somit jedenfalls zumindest für das Rückgrat eine durchaus heilende Wirkung zu haben...

4 Kommentare:

  1. Ich mache mir häufig den Spaß, den "Nach-unten-guckern" einen freundlichen Gruß entgegen zu schmettern. Das Ergebnis ist meist verblüffend. Der Gesichtsausdruck wandelt sich bei vielen von "Erschrocken" über "Ungläubig" und "Irritiert" zu "Heiter" bis "Sonnig".

    Irgendwer muss ja den Anfang machen.

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  2. In meiner Gegend bleibt der Gesichtsausdruck überwiegend bei "erschrocken", "irritiert" oder "verständnislos". Da scheint es wohl regionale Mentalitätsunterschiede zu geben.

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