Dienstag, 6. März 2012

Freiheit - eine tolle Sache...so man sie sich denn leisten kann

Bei uns in Bundesdeutschland gilt der Begriff "Freiheit" anscheinend sehr viel. Es besteht hierzulande (angeblich) eine freiheitlich-demokratische Grundordnung, der Text unserer derzeit gültigen Nationalhymne enthält gleich in Vers 1 ebenfalls dieses Wort, ein Ex-Bundesvorsitzender einer sich selbst als Partei der Freiheit sehenden - mittlerweile aber eher unbedeutenden - politischen Vereinigung Besser- und Bestverdienender ernannte sich 2007 persönlich zur Freiheitsstatue der Republik und auch sonst klingt uns der Begriff "Freiheit" immer wieder aus berufenen Mündern entgegen. Dieses übrigens sehr gern auch in Kombination mit dem Wort "Eigenverantwortung".

Nun wird am 18.03.2012 auch noch ein Präsident ins Amt eingesetzt (von einer Wahl kann man aufgrund der Umstände ja nicht reden), der ebenfalls nicht müde wird, den Begriff der Freiheit - auch und gerade in Verbindung mit der hochgelobten Eigenverantwortung - über alle und alles andere zu stellen.
Sorry, aber ich kann mir nicht helfen: So wie der Begriff von jenen führenden Freiheitsaposteln ausgelegt wird scheint diese Art von Freiheit  für uns Normalbundesbewohner wohl doch keine so tolle Sache zu sein, als die sie uns immer wieder verkauft werden soll. So wie ich es verstehe hat nach dieser Auslegung also jeder Bürger und jede Bürgerin sich selbst der/die Nächste zu sein, sich den jeweiligen Marktbedürfnissen und -erfordernissen anzupassen und unterzuordnen (Freiheit durch Unterwerfung???) sowie bei Nichtbedarf seiner/ihrer Arbeitskraft selbst zuzusehen, wie er/sie eigenverantwortlich ein Dach über dem Kopf behält und sich etwas essbares beschafft.

Meinem bescheidenen Verständnis nach nutzt diese Art von Freiheit hauptsächlich der vergleichsweise kleineren Bevölkerungsgruppe aus den Reihen unsererer wohlhabenderen MitbürgerInnen. Ihnen wird bereits jetzt die Freiheit gegeben, dank entsprechend durchgeführter "Reformen" und sonstiger Maßnahmen in Bereichen wie Arbeitsmarkt und Finanzunwesen auf Rücken und Kosten der Restbevölkerung ihr Vermögen zu erhalten und zu vermehren. Ihre Freiheit beruht somit nicht zuletzt auch auf der Unfreiheit anderer, denn schließlich werden spätestens beim Bezug von ALG II verfassungsmäßig garantierte Grundrechte wie freie Berufswahl, freie Wahl des Wohn- und Aufenthaltsortes, Vertragsfreiheit, Unverletzlichkeit der Wohnung und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit für die davon Betroffenen in erheblichem Maße eingeschränkt. So ganz nebenbei kann in diesen Kreisen der Besser- und Bestverdienenden dank des sonst eigentlich eher verteufelten Staats geschaffenen Niedriglohnsektors oder der Einrichtung von "Rettungsschirmen" die ansonsten von dieser Seite her vielgepriesene Eigenverantwortung bequem von sich auf die restliche Gesellschaft abgeschoben werden.

Ich kann es drehen und wenden wie ich will: Für mich sieht es so aus, dass gemäß den Freiheitsvorstellungen unserer derzeitigen Führungspersönlichkeiten ein freies, eigenverantwortliches und selbstbestimmtes Leben nur denjenigen möglich ist, die über die hierfür erforderlichen finanziellen Voraussetzungen verfügen. Wer hingegen über nur vergleichsweise wenige bis gar keine finanziellen Mittel verfügt kann demzufolge nun mal nicht wirklich frei sein. Man versuche einfach mal, in unserer heutigen Zeit mit keinem einzigen Cent im Portemonnaie oder auf dem Konto ein Leben nach eigener Vorstellung zu führen und das zu tun und zu lassen, was man will. Da wird´s aber echt schwierig.
Falls jemand dieses Freiheitsspiel nicht mitspielen will bleibt ihm halt lediglich die Freiheit, irgendwann unter einer Brücke oder auf einer Parkbank zu nächtigen, Kohldampf zu schieben oder gar zu verhungern. Kurzum: Freiheit nach Maßgabe unserer Führungs- und Leistungseliten ist eine tolle Sache - man muss sie sich nur leisten können.
Dabei fände ich es übrigens durchaus interessant, wie unser neuer Bundespräsident reagieren würde, wenn er irgendwo einmal auf einen Verhungernden treffen sollte. Sagt er ihm dann mit präsidial-pastoral-gutväterlichem  Tonfall: "Mein Sohn, was schaust Du so betrübt und gequält drein? Sei glücklich und zufrieden, denn Du verhungerst schließlich eigenverantwortlich in absoluter Freiheit. Etwas Besseres und Schöneres gibt es nicht auf Erden!"?

Ich weiß nicht, ich weiß nicht, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass unter den derzeitigen und ggf. zukünftigen Voraussetzungen für uns "NormalbürgerInnen" etwas weniger Freiheit, so wie sie von "oben" gemeint ist, durchaus mehr sein könnte...

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