Dienstag, 14. Februar 2012

Die Sache mit der Kassenschlange

In der Kategorie "Merkwürdigkeiten des Alltags" widmen wir uns heute dem Unterthema "Wir haben doch keine Zeit". Vor allem in ihrer Freizeit, ob nun alltags oder am Wochenende, scheint vielen unserer Mitmenschen stets die Uhr im Nacken zu sitzen. Irgendwie haben sie es gerade während der eigentlich ihrer Erholung und Entspannung dienen sollenden Zeiten immer besonders eilig und somit ausgerechnet gerade dann überhaupt keine Zeit. Ein Beispiel unter vielen (weitere folgen in loser Reihenfolge) wäre das einkaufen. Gehen wir also jetzt einfach mal los. Kommen Sie bitte mal eben mit?

 Sodele, und schon sind wir da. Wir befinden uns jetzt bei unserem Lieblingsdiscounter und haben unseren Einkaufswagen mit allerlei notwendigen und weniger notwendigen Waren aus dem reichhaltigen Sortiment gefüllt. Wir legen nun mal immer wieder auch Teile in unser Wägelchen, die gar nicht auf unserem Einkaufszettel stehen und die wir zumindest jetzt eigentlich gar nicht benötigen würden. Es ist halt gerade im Angebot, ganz neu auf dem Markt, sieht doch so gut aus – irgendeine Begründung finden wir dafür ja immer. 
Wir haben nun alles beisammen und bewegen uns Richtung Kassenbereich. Natürlich hat wie gewohnt nur eine einzige Kasse geöffnet, wie wir an der uns endlos erscheinenden Schlange zahlungsfreudiger Kunden davor erkennen können. Also stellen wir uns hinten an und arbeiten uns Minute für Minute Zentimeter für Zentimeter Richtung Warenband vor. Im weiteren Verlauf wächst hinter uns die Zahl unserer Leidensgenossen stetig an.

Plötzlich und unerwartet schreitet eine Dame mittleren Alters, an ihrem firmentypischen Kittel eindeutig als Mitarbeiterin des Discounters zu identifizieren, die Schlange von hinten nach vorn entlang mit Kurs in Richtung Kasse Zwo. Es muss wohl nicht extra erwähnt werden, dass dies immer genau dann der Fall ist, wenn wir nach einer gefühlten Ewigkeit endlich das Warenband an Kasse Eins erreicht, unseren ersten Artikel aus dem Einkaufswagen vorgeholt und auf das Band gelegt haben. Wir vernehmen jetzt von weiter hinter uns herklingend ein mit hoffnungsfrohem Unterton ausgesprochenes „Machen Sie etwa jetzt die zweite Kasse auf?“. Sobald das aus dem Munde der dahin schreitenden Mitarbeiterin ausgesprochene knappe „Ja!“ verhallt ist gibt es in unserem rückwärtigen Bereich plötzlich kein Halten mehr! 
Wie bei einer Rinderstampede in einem klassischen Western bricht die Herde hinter uns aus und stürzt mit donnernden Hufen – äääh, Geklapper und Geschepper ihrer Einkaufswagen – der soeben geöffneten zweiten Kasse entgegen. Die zuletzt gekommenen Ansteher preschen dabei übrigens seltsamerweise immer als erste los. Bei dieser unkontrollierbaren Massenpanik kommt es nicht selten vor, dass uns das eine oder andere Wagenrad von schräg hinten her deftig gegen unsere Fersen und Hacken geknallt wird. Die gefühlte Heftigkeit des dabei entstehenden Schmerzes richtet sich neben der Wucht des Aufpralls im übrigen auch danach, ob man gerade zufällig Sandalen trägt. Aus einschlägiger Erfahrung heraus trage ich von daher auch bei hochsommerlichsten Temperaturen zumindest beim einkaufen niemals welche!

Ebenso klopft auch gern mal eine Ecke der Vorderfront eines solchen zum Rammbock umfunktionierten Einkaufswagens etwas deftiger an unserem Gesäßbereich an, was dort unter Umständen auch mal mehr oder weniger blaue Flecken hinterlassen kann. Macht aber nichts und den Mitgliedern dieser Sturmtruppen schon gar nicht, denn schließlich haben sie alle doch keine Zeit! Wir hingegen schauen zwischendurch immer wieder mal neidvoll zur Zweitkasse hinüber und ärgern uns mächtig. Denn wenn wir nur 5 Minuten länger getrödelt hätten, dann stünden wir jetzt auch dort drüben und das mit Sicherheit ganz vorn! 
Die Lage normalisiert sich aber recht bald wieder, auch wir sind irgendwann erlöst und können nach erfolgter Bezahlung endlich unsere Einkäufe im Kofferraum unseres Vehikels verstauen. 
Das soeben beschriebene Phänomen der Einkaufswagenstampede ist übrigens vollkommen wochentags-, tageszeit-, geschlechts- und altersunabhängig. Ob nun am Montag, Mittwoch oder Samstag, ob morgens, vormittags, mittags, nachmittags oder - je nach Öffnungszeiten - auch abends, ob Männlein oder Weiblein, ob jung oder nicht mehr ganz so jung: Sobald feststeht, dass Kasse Numero Zwo geöffnet wird, geht´s los damit.

Auf dem Kundenparkplatz fällt uns während unseres Ladevorgangs nun jedoch etwas ganz Erstaunliches auf: Von den zuvor unter unsäglichem Zeitdruck stehenden Kassenstürmern stehen doch tatsächlich zwei davon, dazu noch die beiden Rücksichtslosesten, zusammen und unterhalten sich! Und das auch noch in aller Gemütsruhe!!! Im Gegensatz zu vor 5 Minuten scheint jetzt auf einmal Zeit für sie keine Rolle mehr zu spielen, ganz im Gegenteil! Der Stress des vorausgegangenen harten Kampfes um den besten Platz an Kasse Nummer Zwei muss wohl erst mal abgebaut werden. Das kann, je nach Gesprächsthema, auch schon mal durchaus an die 20 Minuten dauern. Aber hier darf es das ruhig, denn schließlich haben sie ja jetzt endlich wieder Zeit...

Weitere Beispiele für "Niemand hat mehr Zeit für gar nichts" folgen dann zu gegebener Zeit. Und falls jemand Tipps bekommen möchte, wie wir wieder zu mehr Zeit in unserer Freizeit gelangen können, möge man/frau mich bitte einfach kontaktieren. Aber nach Möglichkeit bitte nicht während der Live-Übertragung eines bedeutenden Fußballspiels - da habe ich nämlich gerade keine Zeit!

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