Donnerstag, 9. Februar 2012

Knastbruder "Leistungsträger"?

Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat geurteilt: Wer Steuern in Höhe von mehr als einer Million Euro hinterzieht muss in der Regel eine Haftstrafe ohne Bewährung antreten!
Das liest sich für uns "einfache" BürgerInnen zunächst mal ganz "gut" und wir denken so bei uns: "Na, da scheint wohl doch so langsam ein erster Schritt in Richtung gerechtere Gesellschaft getan zu werden". Doch kommen mir beim näheren hinsehen dann doch gewisse Zweifel hinsichtlich der zukünftigen praktischen Umsetzung dieses Urteils auf. Zunächst einmal heißt ja "in der Regel" das gleiche wie "grundsätzlich" und beides beinhaltet nun mal die Möglichkeit von Ausnahmen. In diesem Urteil kommen nun die darin erwähnten "besonders gewichtigen Milderungsgründe" nach intensiver Prüfung des jeweiligen Einzelfalls als Ausnahmemöglichkeit zur Aussetzung einer solchen Haftstrafe zur Bewährung ins Spiel. Ob und wann ein derartiger gewichtiger Milderungsgrund vorliegt dürfte wohl im Ermessen der zuständigen Richter- und Staatsanwaltschaft liegen. 

Ich denke mal, man wird dort bei dem finden von besonders gewichtigen Milderungsgründen schon recht findig sein, insbesondere falls "erfolgreiche Unternehmer", irgendwelche TV-Lieblinge oder Sportgrößen sich dummerweise beim Steuerbetrug erwischen ließen und vor dem Steuerkadi gelandet sein sollten: Das Unternehmen des Angeklagten kann schließlich nicht ein oder zwei Jahre ohne seinen "Kopf" bleiben, da es dadurch erhebliche Wettbewerbsnachteile hätte und somit ggf. vom Markt gedrängt werden könnte z.B. Oder das Unternehmensimage könnte durch eine Verurteilung des "großen Zampanos" an der Unternehmensspitze zu einer Gefängnisstrafe derartig Schaden nehmen, dass es ebenfalls nicht wieder gut zu machende Wettbewerbsnachteile davon tragen würde. Oder aber die Karriere des TV-Lieblings oder Sportstars würde während des Haftzeitraums unterbrochen, er deswegen in seinem Metier evtl. nach der Haftentlassung nicht wieder Fuß fassen können und ihm somit die Existenzgrundlage entzogen werden (er kann ja nun mal nichts anderes) und ähnliches. Mit ein bisschen gutem Willen wird sich da schon irgendwie irgendwo bestimmt ein solch gewichtiger Milderungsgrund finden lassen. Naja, und wenn mal einer von den "richtig Großen" auf der "Arme-Sünder-Bank" sitzen sollte ist er ja allein schon aufgrund seiner Persönlichkeit und/oder Tätigkeit systemrelevant und somit automatisch zu einer Bewährungsstrafe zu verurteilen - das immer wieder gern genommene "Too big to fail" halt. 

Da ja auch weiterhin die Möglichkeit besteht, gleich in der ersten Instanz einen kleinen Handel zwischen Angeklagtem/Verteidigung, Staatsanwalt und Richter abzuschließen ("Mein Mandant erklärt sich dazu bereit die Summe X zu zahlen, wenn das Verfahren danach gegen ihn eingestellt wird"), dürfte von dieser Möglichkeit zukünftig noch stärker als bisher Gebrauch gemacht werden. Normalerweise wird ja nach so einem "kleinen Geschäft unter guten Freunden" von keiner der daran beteiligten Seiten Revision eingelegt und die Angelegenheit ist für alle Beteiligten folglich damit erledigt. Wenn nun demnächst in Steuerverfahren so ein verstärkter "Erstinstanz-Handel" einsetzen sollte dürfte dadurch die Steuergerichtsbarkeit natürlich erheblich entlastet werden, da ja selbst besonders widerborstige Naturen unter den Angeklagten die Möglichkeit einer Verurteilung zu einer tatsächlichen Haftstrafe bei einer Neuverhandlung in nächsthöherer Instanz abschrecken dürfte. Vielleicht hatte der BGH bei dieser aktuellen Bestätigung seines bereits im Jahr 2008 erlassenen diesbezüglichen Urteils ja aber auch diese spürbare Entlastung der Steuerjustiz zumindest ein wenig mit im Auge. 

Natürlich dürften unsere "Leistungs(weg)träger" jetzt erst mal wieder laut aufbellen: "Damit werden die Leistungsträger endgültig aus unserem Land verscheucht!" und ähnlich altbekannte verbale Beißreflexe. In den Leserkommentarbereichen diverser Onlineausgaben größerer Tageszeitungen klang ähnliches ja schon durch. Dort drohen einige dieser selbsternannten "Steueropfer" als Reaktion auf das BGH-Urteil bereits damit, mitsamt ihrem Geld dieses unser Land baldmöglichst verlassen zu wollen. Und selbstverständlich wird von dieser Seite her auch mal wieder munter die Sozialismuskeule geschwungen, von Neid und Steuernotwehr gefaselt, da man halt einfach keine Lust mehr habe, von seinem eigenen hart erarbeiteten Geld diese ganzen Habenichtse und Versager mit durchzufüttern. Nix Neues also, alles schon zigtausend und mehr Male von "Leistungsträger"seite her so gelesen und gehört. Dazu dann noch als i-Tüpfelchen Fragen wie "Und wieviele der 6 Millionen ehemaligen Stasi-Spitzel werden dann jetzt auf uns Leistungsträger angesetzt?". Naja, die beruhigen sich schon wieder, wenn sie erst mal festgestellt haben, dass sich trotz des BGH-Urteils für sie persönlich letzten Endes doch nichts ändern wird. Der Knastbruder Leistungsträger wird wohl auch weiterhin nur ein feuchter Traum von uns neidischen Besitzlosen bleiben. 



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